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U23
05.04.2024

Alekseï Carnier: Der Elsässer mit karibischen Wurzeln

Es lief gerade sehr gut für Alekseï Carnier. Der U23-Verteidiger hatte sich in einem starken Kader nach und nach einen Stammplatz erkämpft und stand auch im richtungsweisenden Regionalliga-Spitzenspiel gegen die Stuttgarter Kickers in der Startelf. Doch nach einer knappen Stunde wurde er bei einem Zweikampf hart im Gesicht getroffen und erlitt einen Kieferbruch. Es ist nicht der erste Rückschlag in der Vita des jungen Franzosen. Hier ist seine Geschichte.

Dass seine Teamkollegen gegen die Kickers das Resultat von 3:0 noch auf 5:0 ausbauten, erfuhr Carnier im Innenraum des Dietmar-Hopp-Stadions, wo er auf seinen Abtransport ins Krankenhaus wartete. Vier Wochen Pause lautet die schmerzhafte Diagnose. „Das ist natürlich ärgerlich für mich, weil ich mich gerade sehr fit fühlte“, sagt der 20-Jährige. „Aber ich drücke den Jungs die Daumen, dass sie jetzt oben dran bleiben und hoffe, so bald wie möglich wieder auf dem Platz stehen zu können.“ 

Carnier wurde am 30. Oktober 2003 in Straßburg geboren und wuchs im Stadtteil Neudorf auf. Seine Mutter, deren Nachnamen er trägt, stammt aus der zu Frankreich gehörenden Karibikinsel Martinique, sein Vater aus Russland. Sacha Chavrov kickte selbst auf Regionalebene im Großraum Straßburg, und weil Alekseï als Zuschauer immer bei dessen Spielen dabei war, schnürte auch er bald die Fußballschuhe. Zunächst beim SC Schiltigheim, ab der U15 bei Racing Straßburg. Gescoutet wurde er von seinem eigenen Sportlehrer am Collège Jean-Monnet, der zugleich U15-Coach bei Racing war.

Ausbildung bei Racing

Im Nachwuchszentrum des französischen Meisters von 1979 entwickelte sich der Verteidiger stetig weiter, spielte erst im regionalen Bereich, später dann in landesweiten Ligen. Zwei seiner früheren Weggefährten sind heute bei Racing in der ersten Mannschaft aktiv: Marvin Senaya, der am vergangenen Wochenende beim 2:0 gegen Stade Rennes traf, sowie Habib Diarra.

Im Stade de la Meinau sah sich auch der junge Alekseï die Heimspiele des Ligue-1-Klubs Racing an, sein Herz schlug aber für Real Madrid und Cristiano Ronaldo. „Positionsmäßig habe ich mich aber eher an Raphaël Varane orientiert“, so Carnier, der seine ersten Schritte im Herrenfußball dann für die zweite Mannschaft in der fünftklassigen „Nationale 3“ absolvierte.

In seiner Kindheit hatte Carnier auch Kampfsportarten wie Boxen und Judo auf dem Trainingsplan, doch schließlich konzentrierte er sich voll auf den Fußball. Als ihm Racing direkt nach dem Abitur einen Profivertrag auf den Tisch legte, flatterte auch das Angebot der TSG ins Haus. „Ich habe damals lange mit meinen Eltern gesprochen, und wir haben gemeinsam entschieden, dass eine Auslandserfahrung sehr wertvoll ist.“

Und so kam Carnier im Sommer 2021 ohne Deutschkenntnisse, dafür aber im Dreierpack mit seinen Landsmännern Mathieu Kambala und Hubert Mbuyi-Muamba, den er bereits als Gegner bei Auswahlduellen in Aix-en-Provence kennengelernt hatte, in den Kraichgau. „Die ersten sechs Monate waren sehr schwer. Nicht nur wegen der generellen Eingewöhnung, sondern auch wegen der Sprache und der ganzen Coronamaßnahmen“, blickt Carnier, der erstmals von seiner Familie (zu der auch zwei jüngere Schwestern gehören) getrennt war, auf die steinige Anfangsphase zurück.

Zuletzt Startelf-Stammplatz

Mit dem damaligen U23-Spieler Gautier Ott, der nicht nur wie Carnier Elsässer ist, sondern auch mit ihm gemeinsam in Schiltigheim spielte, fand er jedoch schnell eine Bezugsperson. Zudem konnte er mit den U19-Kollegen Nick Breitenbücher, dessen Eltern aus Kasachstan stammen, russisch sowie mit dem Belgier Abdoul Camara, der wie er im Spielerwohnheim Hoffenheim lebte, französisch sprechen.

Aufgrund einer Sprunggelenksverletzung verpasste Carnier im ersten halben Jahr nach nur zwei Kurzeinsätzen für „Hoffe zwo“ den Anschluss, trainierte später bei der U19 mit und absolvierte sechs Begegnungen in der A-Junioren-Bundesliga. Das zweite Jahr sollte eigentlich besser werden, doch es kamen mit Vincent Wagner ein neuer Trainer und mit ihm viele neue und gute Spieler. Die nächste Verletzung setzte ihn bis Januar 2023 außer Gefecht. „Ich wusste, dass ich nur eine Chance benötige und es dann packen kann“, erklärt Carnier, woher er in dieser schwierigen Zeit seine Motivation bezog. In der Saison 2022/23 kam diese Chance allerdings nicht. Er blieb ohne Pflichtspieleinsatz.

Carnier biss sich weiter durch. Seit Sommer 2023 und dem Trainingslager in den USA fühlt er sich fit und gibt Vollgas, doch der Kader ist nach wie vor stark besetzt. Zunächst reichte es auch in der aktuellen Spielzeit nicht für Einsätze, doch seit dem 4:0-Sieg in Koblenz Ende August ist der Außenverteidiger dabei, erst unregelmäßig, zuletzt aber drei Mal in Folge in der Startelf. Nun also der nächste Rückschlag.

Im Kraichgau eingelebt

„Ich will viel spielen und mich zeigen“, hatte Carnier wenige Tage vor dem Kickers-Spiel gesagt. „Wir haben das Zeug dazu, aufzusteigen, und ich will mich auch in der 3. Liga beweisen.“ Das ist durchaus möglich, denn den Aufstieg kann „Hoffe zwo“ aus eigener Kraft packen. „Die Infrastruktur bei der TSG ist herausragend, wir haben hier alles, was wir zum Besserwerden brauchen“, sagt der Franzose, der in Sinsheim wohnt und weiß: „Im Vergleich zu einer Großstadt wie Straßburg gibt es hier weniger Ablenkung, so dass man sich voll auf den Fußball konzentrieren kann.“

Alekseï Carnier hat sich eingelebt im Kraichgau. Nach Neudorf ist es auch nicht weit, 90 Minuten mit dem Auto. In der freien Zeit, von der er nun etwas mehr hat, als ihm lieb ist, lernt er mit dem Akademie-Lehrer Michael Heitz und gemeinsam mit Teamkollege Luka Hyryläinen Deutsch, um die A1-Prüfung zu bestehen. Doch der Fokus gilt weiterhin dem Fußball.

Die Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich? „In Deutschland ist die Intensität höher und spielt die Taktik eine größere Rolle, bei Racing hatten wir nur einmal pro Woche Videositzungen.“ Beim 2:0-Testspielsieg der deutschen Nationalmannschaft in Lyon vor wenigen Wochen habe man einen weiteren Unterschied gesehen: „Frankreich ist technisch stärker und hat eine höhere individuelle Qualität, aber Deutschland hat als Team super zusammengespielt, und darum geht es im Fußball.“

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