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AKADEMIE
24.05.2020

Historische Spiele (18): Das Sahnestück von Hannover

Auf achtzehn99.de haben wir in den vergangenen zehn Wochen in loser Reihenfolge auf „historische Partien“ der TSG-Akademie zurückgeblickt, die dazugehörigen Geschichten nacherzählt und sie wieder in Erinnerung gerufen. An diesem Wochenende endet diese Serie. Den krönenden Abschluss bildet der Gewinn der Deutschen A-Junioren-Meisterschaft am 22. Juni 2014 in Hannover.

Eine bessere Saison hätte sich SWR-Redakteur René Habitzl für seine Langzeit-Reportage „Ich werde Fußballstar“ nicht raussuchen können. Aber das konnte er natürlich im Sommer 2013, als er dem neuen U19-Cheftrainer Julian Nagelsmann sein Konzept vorstellte, noch nicht wissen.

Nagelsmann war gerade von seinem halbjährigen Co-Trainer-Intermezzo bei den Profis in die TSG-Akademie zurückgekehrt und wollte sich als U19-Hauptverantwortlicher beweisen. Gegen die Reportage hatte er nichts einzuwenden. Zehn Monate später stand Habitzl mit seinem Kamerateam sektgetränkt in der Umkleidekabine des Niedersachsenstadions in Hannover – und filmte exklusive Meisterbilder.

Ohne Niklas Süle

Drei Spiele ohne Sieg, Platz zwölf. Der Saisonstart war gemessen an den Ergebnissen alles andere als gut verlaufen. Das Nagelsmann-Team – von dem es hieß, es sei aufgrund der vielen schwierigen Charaktere „nicht trainierbar“ – musste sich erst noch finden. Zu den beiden externen Neuzugängen Grischa Prömel (Stuttgarter Kickers) und Benjamin Trümner (KSV Hessen Kassel) gesellten sich jede Menge Talente aus dem eigenen Stall, darunter allein 14 Jungjahrgänge aus der U17. Auf einen Hochkaräter musste Nagelsmann allerdings verzichten: Niklas Süle, der als 1995er noch sein zweites A-Jugend-Jahr hätte spielen dürfen, war frühzeitig in den Profi-Kader beordert worden.

Das Heimspiel gegen den FC Bayern München Mitte November war das erste von drei Ausrufezeichen, das die U19 im Rundenverlauf setzte. Nach einer halben Stunde, beim Stand von 0:2, standen die Hoffenheimer virtuell auf Rang zehn. Barış Atik, Bahadır Özkan, Joshua Mees und zwei Mal Trümner drehten die Partie in ein 5:2. In der unfassbar engen Staffel Süd/Südwest war die TSG plötzlich Zweiter. Der zweite Hinweis, dass diese Truppe Großes zu leisten imstande sein könnte, folgte im ersten Spiel 2014, einem trockenen 2:0 beim Spitzenreiter VfB Stuttgart, das Nadiem Amiri und Felix Schröter herausschossen und das die Nagelsmann-Elf auf den ersten Platz katapultierte. Sie gab ihn nicht mehr her.

Bereit für Hannover

Nach dem 3:2-Sieg in Karlsruhe, dem dritten Ausrufezeichen, als die Hoffenheimer einen 2:0-Rückstand in Unterzahl drehten, war klar, dass von nun an niemand diese Mannschaft würde aufhalten können. Als hartnäckigster Verfolger auf dem Weg zur ersten Süddeutschen Meisterschaft entpuppte sich ausgerechnet Nagelsmanns Jugendverein TSV 1860 München. Und es dauerte auch tatsächlich bis zum letzten Spieltag und einem 2:1 gegen den FC-Astoria Walldorf, bis der Titel mathematisch unter Dach und Fach war. Auch die bärenstarken Schalker mit ihrem Shooting-Star Leroy Sané bissen sich im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft (1:0, 0:0) an der TSG die Zähne aus.

Dass die Hoffenheimer zum Finale auswärts antreten mussten, stand schon vorher fest. Die Frage war nur, ob in Wolfsburg oder Hannover. Während die ersten Minuten im Hoffenheimer Halbfinal-Rückspiel gegen Schalke bereits liefen, setzte sich Hannover als Zweiter der Staffel Nord/Nordost beim Meister VfL Wolfsburg im Elfmeterschießen durch. „Bereit für Hannover“, lautete also auf der TSG-Homepage das Motto für die kommenden acht Tage – begleitet vom Hashtag „jawollklasse“, Nagelsmanns Bonmot zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Nico Rieble fällt aus

Im Abschlusstraining strotzten die Hoffenheimer nur so vor Selbstvertrauen. Amiri und Atik hatten sich ihre Initialen in ihre extravaganten „Final-Frisuren“ rasieren lassen, und die allgemeine Lockerheit im Team gestattete es, der U8 des SV Nienhagen aus dem Landkreis Celle ein „Meet and Greet“ inklusive Erinnerungsfoto zu ermöglichen. Die Siegessicherheit war allgegenwärtig, von der theoretischen Wahrscheinlichkeit, dass das Endspiel verloren werden könnte, war nichts, aber auch gar nichts, zu spüren.

Beim DFB-Bankett am Abend richtete Kapitän Russell Canouse ein paar Worte an die geladenen Gäste, während Nicolás Sessa das WM-Spiel „seiner“ Argentinier, die sich gegen den Iran zu einem späten 1:0-Sieg mühten, verpasste. Beim anschließenden 2:2 Deutschlands gegen Ghana waren alle auf den Zimmern. Nagelsmann tüftelte derweil an der Startformation. Mit den beiden Nationalspielern Philipp Ochs und Benedikt Gimber hatte er noch zwei U17-Spieler hochgezogen, allerdings drohte Nico Rieble auszufallen. Der Ersatzkapitän, der noch beim 1:0 auf Schalke die Binde getragen hatte, war erkrankt.

Özkans Freistoß als Türöffner

Schon am frühen Morgen war die Stimmung beim Frühstück sehr gelöst. Anspannung ja, Zweifel am Erfolg nein. Nach einem gemeinsamen Spaziergang, einer weiteren Stärkung und einem Motivationsvideo, das die zahlreichen Höhepunkte der Saison bis hierhin zusammenfasste, fuhr der Bus um 11:30 Uhr vom Hotel an der Expo in Richtung Arena. Der Sportliche Leiter Michael Mutzel hatte pünktlich zur Abfahrt seine blaue Gewinner-Hose angezogen, mit der er als Zuschauer bei U19-Spielen nur Siege gesehen hatte – und die später farblich perfekt zum Meister-T-Shirt passen sollte.

Canouse führte die Mannschaft um kurz vor 13:15 Uhr vor 14.200 Zuschauern aufs Feld. Zwar machten die Hausherren in der ersten halben Stunde offensiv etwas mehr auf sich aufmerksam, aber das Innenverteidiger-Duo Nicolai Rapp und Steffen Nkansah sowie Schlussmann Marvin Schwäbe erwiesen sich erneut als Bank. Nach einem Freistoß von Mike Bähre köpfte 96-Kapitän Kevin Krottke die Kugel knapp am Tor vorbei (12.). Beim Schuss von Can Tuna in der 23. Minute war Schwäbe zur Stelle, ebenso in 32. Minute, als ein Hannoveraner Freistoß kurzzeitig für Verwirrung im „Hoffe“-Strafraum sorgte, der TSG-Keeper das Spielgerät jedoch rechtzeitig unter sich begrub.

Die Szene des ersten Durchgangs gehörte dann Bahadır Özkan. Der Mittelfeldspieler zog zunächst aus der Distanz ab und erzwang auf diese Weise ein Handspiel von Lukas Wilton. Die Folge: Freistoß für die TSG, Gelb für den Hannoveraner. Özkan legte sich die Kugel zurecht, zirkelte sie butterweich über die Mauer und ließ 96-Torhüter Alexander Rehberg keine Chance – 1:0 (36.).

Doppelpack Amiri

Die Tendenz, in welche Richtung die Partie laufen würde, war nun vorgegeben. Nach dem Seitenwechsel musste Schwäbe zwar zunächst einen strammen Krottke-Schuss entschärfen, ansonsten dominierte aber die TSG und legte sich den Gegner sowie den zweiten Treffer zurecht. Dieser fiel dann in der 57. Minute. Nach einer ansehnlichen Kombination über mehrere Stationen leitete Ochs die Kugel auf Amiri weiter, der das Spielgerät mit einem Schlenzer zum 2:0 in die lange Ecke schickte.

Die Hannoveraner gaben sich auch nach diesem Rückschlag nicht geschlagen. Schwäbe musste all sein Können abrufen, um die Kugel nach einem Schuss von Bähre mit einem starken Reflex noch abzufangen (65.). Gegen Ende fehlte dem Heimteam jedoch die Kraft, um den Sieg der TSG noch in Gefahr zu bringen. Als Ochs dann allen Verteidigern entwischte und in der 79. Minute auf 3:0 erhöhte, war den Kraichgauern der Titel nicht mehr zu nehmen. Für die Kür sorgten Amiri mit seinem zweiten Treffer und Atik. Amiris erster Versuch wurde zunächst noch abgeblockt. Der Nachschuss hingegen passte – 4:0 (81.). Nach einer Hereingabe von Ochs besorgte Atik das 5:0 (87.) – da waren auf der „Hoffe“-Bank die vorsorglich gedruckten Meistershirts mit der Aufschrift „Jawoll, klasse!!!“ bereits verteilt worden. Die Feier konnte beginnen, die TSG-Homepage titelte: „Deutscher Meister! Die U19 ist am Ziel!“

Dietmar Hopp gratuliert

„Das fühlt sich herausragend an“, jubelte Nagelsmann, der nach der Siegerehrung von Interviewtermin zu Interviewtermin eilen musste und während des Gesprächs mit Sport1-Moderator Martin Quast von seinen Spielern mit einer Meisterdusche bedacht wurde. „Ich bin unfassbar stolz auf meine Mannschaft, die eine überragende Saison gespielt und sich mit dem Gewinn der Meisterschaft belohnt hat. Unser Sieg ist allerdings zu hoch ausgefallen, denn vor allem die erste Halbzeit war noch äußerst ausgeglichen.“

Als er in die Kabine zu seinen feiernden Spielern kam, war das SWR-Team längst dabei zu filmen. Was für ein Drehbuch! Auch TSG-Mäzen Dietmar Hopp schaute vorbei, um persönlich zu gratulieren. Nach knapp sechsstündiger, von mehreren Staus behinderter Heimfahrt kam der TSG-Tross müde, aber noch immer in bester Feierlaune in der Heidelberger Altstadt an, wo ein Lokal eigens für den Deutschen A-Junioren-Meister seine Tür geöffnet hatte.

Die Party dauerte bis in die Morgenstunden. Schon am Montag trennten sich die Wege der Jungs, die in dieser Konstellation letztmals zusammen spielten. Der Titel 2014 bleibt für immer.

 

Hannover 96 – TSG 1899 Hoffenheim 0:5 (0:1)
Hannover: Rehberg – Wolf (80. Hafiz), Panagiotidis (85. Petrick), Wilton, Arkenberg – Tuna, Anton, Sarenren Bazee (63. Serra), Grunert (58. Bahtiri) – Bähre, Krottke.
Hoffenheim: Schwäbe – Weippert, Rapp, Nkansah, Canouse – Özkan (63. Gimber), Prömel, Amiri (84. Sessa), Trümner (46. Ochs) – Mees (61. Öztürk), Atik.
Tore: 0:1 Özkan (36.), 0:2 Amiri (58.), 0:3 Ochs (79.), 0:4 Amiri (81.), 0:5 Atik (87.). Zuschauer: 14.200. Schiedsrichter: Tobias Stieler (Hamburg). Karten: Gelb für Wilton / Trümner.
Hannover, Niedersachsenstadion, 22. Juni 2014

 

Historische Spiele

1 | Triumph im Schatten des Olympiastadions | U19: TSG Hoffenheim – Hertha BSC 2:1 | Finale DFB-Junioren-Pokal 2010

2 | Ein Meistertitel zum Geburtstag | U16: TSG Hoffenheim II – VfB Stuttgart II 3:2 | Entscheidungsspiel um die B-Jugend-Oberligameisterschaft 2013

3 | Das eingelöste Versprechen | U19: TSG Hoffenheim – SV Werder Bremen 3:1, 2:0 | Halbfinals um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft 2016

4 | Meisterstück in Walldorf | U23: FC-Astoria Walldorf – TSG Hoffenheim II 0:1 | Entscheidender Sieg zum Aufstieg in die Regionalliga 2010

5 | Rapps goldenes Händchen gegen City | U19: TSG Hoffenheim – Manchester City 5:2 | Sieg im ersten Youth-League-Gruppenspiel 2018

6 | Im Fernduell die Nerven behalten | U15: TSG Hoffenheim – SC Freiburg 3:1 | Entscheidender Sieg zur Süddeutschen C-Jugend-Meisterschaft 2016

7 | Schmerzhaftes Treffen mit einem späteren Weltstar | U19: FC Schalke 04 – TSG Hoffenheim 3:1 | Finale um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft 2015

8 | Meisterfeier auf dem Halberg | U15: SV Wehen – TSG Hoffenheim 2:3 | Entscheidender Sieg zur Süddeutschen C-Jugend-Meisterschaft 2013

9 | Pokalfight gegen Grifos Pforzheimer | U19: 1.CfR Pforzheim – TSG Hoffenheim 4:7 n.V. | Sieg im BFV-Pokal-Finale 2011

10 | U17 triumphiert nach „Tennismatch“ | U17: TSG Hoffenheim – Borussia Dortmund 6:4 | Finale um die Deutsche B-Junioren-Meisterschaft 2008

11 | Internationales Glanzlicht der U14 | U14: Hertha BSC – TSG Hoffenheim 2:4 | Europafinale des Premier Cups in Berlin 2017

12 | Die legendäre Regenschlacht | U19: TSG Hoffenheim – Real Madrid 4:2 | Youth-League-Viertelfinale 2019

13 | Zwei spätere Weltmeister im Gmelin-Stadion | U19: TSG Hoffenheim – FC Bayern München 1:3 | A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest 2006/07

14 | Nervenschlacht gegen die Knappenschmiede | U19: FC Schalke 04 – TSG Hoffenheim 0:1, 0:0 | Halbfinals um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft 2014

15 | Zehn Tore und Happy End gegen Leipzig | U19: RB Leipzig – TSG Hoffenheim 2:3, 2:3 | Halbfinals um die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft 2015

16 | Herzschlagfinale an der Silbergasse | U19: TSG Hoffenheim – VfB Stuttgart 1:1 | Letzter Spieltag A-Junioren-Bundesliga 2017/18

17 | Rettung in letzter Sekunde | U19: TSG Hoffenheim – TSV 1860 München 4:0 | Letzter Spieltag A-Junioren-Bundesliga 2011/12

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