Philipp Klingmann: Zurück zu den Wurzeln
Jetzt sitzt Klingmann an seinem Schreibtisch. Leistungszentrum in Hoffenheim, dritte Tür rechts. Kein hartes Training mehr bei Wind und Wetter – stattdessen Schreibtisch, Laptop und Büroalltag. Keine ganz neue Situation für den Ex-Profi, der zuletzt eineinhalb Jahre als Teammanager beim SV Sandhausen fungierte. „Die Arbeit hat mir großen Spaß gemacht, aber es war jetzt an der Zeit, einen Schritt weiterzugehen“, sagt Klingmann, der in seiner alten Heimat Hoffenheim schnell angekommen ist.
Mit 13 Jahren – die TSG spielte damals noch in der Regionalliga und hatte kein Leistungszentrum – wechselte der gebürtige Heidelberger von seinem Heimatklub Germania Mönchzell nach „Hoffe“, wo gerade nach und nach mit dem Aufbau professioneller Strukturen begonnen wurde. Sein erster Trainer und Förderer war Helmut Häfele, im September 2005 debütierte „Klinge“ schließlich in der A-Junioren-Bundesliga, als er beim 5:1-Sieg gegen den KSC eingewechselt wurde.
zwischenstation zweite liga
Beim Übergang in den Seniorenbereich spielte Klingmann im U23-Kader und erhielt einen Lizenzspielervertrag. Der Sprung zu den Bundesliga-Profis blieb ihm zwar verwehrt, doch er verbindet schöne Erinnerungen mit dieser Zeit. Zum Beispiel das Eröffnungsspiel der neuen Arena im Januar 2009, als die TSG eine Auswahl der Metropolregion Rhein-Neckar mit 6:2 bezwang und er in der zweiten Halbzeit für Andreas Beck eingewechselt wurde. „Daran denke ich jedes Mal, wenn ich an der Arena vorbeifahre.“ Im Mai 2010 bejubelte er mit seinen U23-Teamkollegen den erstmaligen Aufstieg in die Regionalliga, wo er an der Seite späterer Nationalspieler wie Pascal Groß (Deutschland), Jannik Vestergaard (Dänemark) oder Koen Casteels (Belgien) sieben Tore in 53 Einsätzen erzielte.
Im Februar 2012 saß „Klinge“ in jenem Reisebus, der in Namibia von der Straße abkam und sich überschlug. Klingmann zog sich dabei mehrere Rippenbrüche zu, zudem war sein linker Lungenflügel eingefallen. Am Ende jener Spielzeit nahm er ein Angebot des Karlsruher SC an. „Vielleicht ein Jahr zu spät“, bedauert es Klingmann, nicht schon früher den Sprung in eine höhere Spielklasse gewagt zu haben. Obwohl der KSC gerade in die 3. Liga abgestiegen war, sollte sich der Transfer in sportlicher wie privater Hinsicht lohnen. Zum einen, weil der Rechtsverteidiger den sofortigen Wiederaufstieg feiern durfte, zum anderen, weil er in der Fächerstadt seine heutige Frau kennenlernte.
2015 schrammte der KSC haarscharf am Aufstieg in die Bundesliga vorbei. Im Sommer schloss er sich schließlich dem SV Sandhausen an und erkämpfte sich wieder einen Zweitliga-Stammplatz, mittlerweile hatte „Klinge“ sein BWL-Studium mit Schwerpunkt Sportmanagement erfolgreich abgeschlossen.
Mit den Hardtwäldern zog Klingmann 2016 durch einen Auswärtssieg beim Bundesligisten SC Freiburg ins DFB-Pokal-Achtelfinale ein, im Februar 2018 erlebte er dann allerdings seine dunkelste Fußball-Stunde, als er nach einem Luftduell mit Düsseldorfs Genki Haraguchi erst wieder im Krankenhaus zu sich kam. Diagnose: Schädelbruch. Nach acht Wochen stand „Klinge“ wieder auf dem Platz. „Ich hatte in Sandhausen eine sehr coole Zeit. Viele Spieler hatten einen regionalen Bezug und wir hatten einen sehr guten Zusammenhalt.“
Doch der Körper sendete erste Anzeichen, dass Klingmann nicht mehr 100 Prozent seines Leistungsvermögens würde abrufen können. Als der SVS ihm keine Vertragsverlängerung anbot, entschied sich der in seiner Geburtsstadt Heidelberg sesshaft gewordene Familienmensch 2021 zum sauberen Schnitt. „Ich hatte mein Studium in der Tasche und habe 2022 den Trainerschein gemacht. Der Einstieg ins Berufsleben erschien mir sinnvoller, als noch ein paar weitere Jahre woanders die Knochen hinzuhalten.“
Klingmann hospitierte zunächst im Leistungszentrum des FC Augsburg, in dem auch der ehemalige Hoffenheimer Christoph Jancker arbeitete, und erwarb im Anschluss die B-plus-Lizenz. Seine Praxis-Einheiten absolvierte er in der TSG-Akademie beim damaligen U15-Coach Andreas Lässig. Es folgte die erste Festanstellung – allerdings beim SV Sandhausen, der einen Nachfolger für Teammanager Anthony Loviso suchte. Darüber hinaus übernahm „Klinge“ die Position des Assistenten des Sportdirektors Mikayil Kabaca. „Ich war ‘Mädchen für alles’“, lacht Klingmann. „Von der Hotelbuchung und Spieler-Onboarding bis hin zur Wohnungssuche und dem Vertragswesen. Ich habe mich erst etwas freischwimmen müssen, aber im Nachhinein betrachtet war das ein sehr guter Einstieg für mich.“
100 Tage im Amt
Nachdem Frank Kramer – Klingmanns einstiger U23-Trainer bei der TSG und ebenfalls Busunfall-Opfer von 2012 – im Frühjahr 2024 die Leitung der TSG-Akademie übernommen hatte, konkretisierte sich im Laufe des vergangenen Jahres die Idee, „Klinge“ zur TSG zurückzuholen.
Am 9. April ist „Klinge“ 100 Tage im Amt. Sein erstes Zwischenfazit: „Der Job hier macht mir einen Riesenspaß. Ich bin sehr gut aufgenommen worden und habe mich schnell eingelebt.“ Sein Aufgabengebiet ist vielfältig: Er trägt die sportliche Verantwortung von der U16 bis zum Kinderperspektivteam, ist also in diesem Altersbereich für die Trainerbegleitung und gemeinsam mit den Kaderplanern für die Spielerübernahme zuständig. Hinzu kommt das Vertragswesen, das bis hoch zur U19 in seinen Händen liegt. Darüber hinaus betreut er Schnittstellenthemen und soll zusammen mit Kramer sowie dem neuen gesamtsportlichen Leiter Michael Feichtenbeiner für eine Optimierung aller Abläufe sorgen.
„Ich kann gut auf andere Menschen eingehen, behandle alle gleich und setze auf Zuverlässigkeit. In meiner täglichen Arbeit will ich meine Erfahrung als Spieler und Funktionär einbringen“, beschreibt Klingmann sich selbst und seine Ziele – und hofft, der TSG-Akademie mit diesen Eigenschaften einen wertvollen Input geben zu können. „Ich freue mich auf das, was kommt.“

