Betreuer Will Heinlein, das TSG-Urgestein, hatte sich eine Zigarette angezündet – es war nicht die erste an diesem Tag. Aus dem Lautsprecher neben dem Mannschaftsbus dröhnte laute „Malle-Musik“: 1001 Nacht, Es hat Zoom gemacht – eben solche Hits. Die Spieler tanzten, trugen Sonnenbrillen, Bier flog wie Regentropfen durch die Luft. „Ich habe nicht gedacht, dass ich das noch erleben werde“, sagte Heinlein sichtlich gerührt. „Mehr kannst du mit einer U23 nicht erreichen.“

Der 2:1-Sieg hatte ihn mitgenommen. Wie jedes der unzähligen U23-Spiele, die der frühere TSG-Stürmer als Betreuer an der Seitenlinie emotional durchlebt hat. 1:0 Mokwa nach neun Minuten, dann der späte Ausgleich – und schließlich der Foulelfmeter, den Luka Ðurić verwandelte, wie im Training. Es war sein 13. Saisontreffer, der siebte verwandelte Elfmeter – bei sieben Versuchen. Danach brachen alle Dämme. Kurze Randnotiz: In den sechs Spielzeiten zuvor – seit der B-Junioren-Bundesliga – hatte der gebürtige Hoffenheimer zusammen gerade einmal zehn Tore erzielt.

Aller guten Dinge sind 3

Es dauerte eine Weile, bis Vincent Wagner zur Pressekonferenz erschien – vier T-Shirts später, sozusagen. So oft hatte er sein völlig durchnässtes Oberteil wechseln müssen. Schließlich sprach er ins Mikrofon, in ein weiteres nasses Meistershirt gehüllt, auf dem „Aller guten Dinge sind 3“ stand. Die Frisur saß noch einigermaßen. „Der Aufstieg hatte nicht Prio 1 und auch nicht Prio 2. Aber diese Truppe ist so schnell erwachsen geworden und so talentiert, dass sich der Erfolg seinen Weg gebahnt hat“, sagte der angehende Fußballlehrer.

Seine Ansprache im Mannschaftskreis hatte er bewusst knapp gehalten. Es hätte einiges zu kritisieren gegeben – etwa die zweite Halbzeit, als seine Mannschaft den Sack nicht zumachte und die Eintracht zurück ins Spiel ließ. Doch an diesem Samstag interessierte das niemanden. Stattdessen ließ Wagner einen Spieler, einen Funktionär nach dem anderen hochleben: seinen gesamten Staff und natürlich den Siegtorschützen. Pogo auf dem Rasen in Dreieich.

Dabei hatte es zu Beginn dieses Kalenderjahres gar nicht so gut ausgesehen. Binnen weniger Tage war der komfortable Winterpausen-Vorsprung an der Spitze zusammengeschmolzen: Ein Last-Minute-1:1 gegen Offenbach, dann zwei Niederlagen beim FSV Frankfurt (1:2) und zu Hause gegen Freiberg (2:3). Ein kurzer Negativtrend, der mit einer ungewöhnlichen „Pressekonferenz“ gestoppt wurde. „Wir hatten viele Baustellen“, erinnert sich Wagner. „Die Niederlagenserie, individuelle Zukunftsplanungen, typische U23-Themen eben.“ Gemeinsam mit dem Sportlichen Leiter Michael Feichtenbeiner wurde eine Besprechung anberaumt, die Wagner in letzter Sekunde zu einer fingierten Pressekonferenz umfunktionierte. „Die Profis waren an diesem Donnerstag nicht da. Also sind wir einfach in den PK-Raum gegangen, haben drei Jungs aufs Podium gesetzt – und die anderen sollten Fragen stellen.“

"Pressekonferenz" als Wendepunkt

In den kommenden Minuten redeten sich die Spieler alles von der Seele. Die, die Journalisten spielten, stellten bohrende Fragen – und erhielten erfrischend ehrliche Antworten. „Alles kam auf den Tisch. Kernaussage war: Wir müssen einfach unseren Job erledigen. Danach war keine Nachbesprechung mehr nötig.“ Die Maßnahme fruchtete: In der Folge gewann "Hoffe zwo" acht Spiele am Stück und erzielte 24:2 Tore. Gelingt am Freitag gegen Homburg der neunte Sieg, wäre das zudem ein neuer Vereinsrekord.

Am Ende stehen nun also die Meisterschaft und der Aufstieg in der Chronik. Job erledigt.

Als Teil 1 der Feierlichkeiten abgeschlossen war, ging es weiter in ein italienisches Restaurant in Frankfurt: Das Leben ist schön in der Hanauer Landstraße – wie passend. Zwischen Vorspeise, Pasta und Hauptgericht wurden weitere Jubelgesänge angestimmt, Karten gespielt – und zwei A-Junioren mussten auf Stühlen stehend ihren U23-Einstand absolvieren: Auch wenn sie am Samstag nicht zum Einsatz kamen, lieferten Luca Erlein und Tiago Poller ihre Interpretation von Michél Telós Hit Ai Se Eu Te Pego. Nossa, nossa! Das Lied gehörte bereits zum U19-Repertoire beim Double-Gewinn vor elf Monaten.

Der Tag gestaltete sich nicht ganz so „eskalativ“ (O-Ton Wagner), wie es vielleicht bei einem erst am letzten Spieltag sichergestellten Titelgewinn gewesen wäre. Doch die Freude über das Erreichte war bei allen Beteiligten deutlich spürbar. Und einen Aufstieg mit einem eigenen Sieg zu feiern ist immer schöner, als nach einem Remis oder einer Niederlage „Couchmeister“ zu werden. Es hat einfach alles gepasst an diesem Samstag.

Der Abend wurde schließlich in einem Frankfurter Szeneclub fortgesetzt. Ab hier: kein Protokoll.

13 Jahre – so viele wie keine andere Mannschaft – hat die Hoffenheimer U23 seit Einführung der Südwest-Staffel in dieser Liga verbracht. Jetzt verlässt sie sie – nach oben. Mit Borussia Dortmund, dem VfB Stuttgart und Hannover 96 spielen aktuell drei Zweitvertretungen in der 3. Liga, alle kämpfen noch um den Klassenerhalt. Sicher dabei ist in der Saison 2025/26: die TSG Hoffenheim. "Hoffe zwo" gehört zu den besten U23-Teams Deutschlands.

 

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