Hoffe zwo: Warten auf die fünfte Meisterschaft
Mai 2010. Trainer Markus Gisdol fuchtelte am Spielfeldrand wie wild umher und rief dem Schiedsrichter mehrfach zu, dass nun endlich Schluss sei. Selbst die Nachspielzeit war schon lange abgelaufen. Dann endlich, um 20:42 Uhr, nahm Tobias Schmitz die Pfeife in den Mund.
Wenige Monate zuvor stand die U23 der TSG noch vor einem Scherbenhaufen. Zwar hatte „Hoffe zwo“ eine bärenstarke Saison absolviert und die Oberliga Baden-Württemberg auf Platz zwei abgeschlossen, doch im Anschluss verabschiedeten sich fast alle Spieler. Allein fünf wechselten zu ihrem Ex-Trainer Rainer Scharinger, der die TSG kurz vor Runden-Ende in Richtung VfR Aalen verlassen hatte. Gerade mal zwei, Kai Herdling und Philipp Klingmann, waren übrig geblieben. Aufstieg verpasst, kein Trainer, keine Spieler.
Der neu verpflichtete Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, Ernst Tanner, hatte also gleich alle Hände voll zu tun. Sein Auftrag war deutlich formuliert: Mit Ausnahme der TSG Hoffenheim spielten die U23-Teams aller Bundesligisten mindestens in der Regionalliga, nur eben die TSG nicht.
Nach einem krassen Fehlstart beim Verbandsliga-Aufsteiger TSG Weinheim (0:1) fand sich das neu zusammengestellte Team erst im Herbst, war dann aber nicht mehr aufzuhalten. Am zweiten Spieltag der Rückrunde belegte die Gisdol-Elf erstmals Platz eins. Sie befand sich gerade mitten in einer Serie von neun Zu-null-Siegen hintereinander, die das Team nicht zuletzt Schlussmann Jens Grahl zu verdanken hatte.
Jabiri trifft, „Weltklasse-Leistung“ von Grahl
Am 30. Spieltag stand schließlich das Derby beim FC-Astoria Walldorf an, das zugleich ein Spitzenspiel Zweiter gegen Erster war. Die Ausgangslage: Mit einem Sieg wäre „Hoffe zwo“ die Meisterschaft – und somit der lang ersehnte Aufstieg in die Regionalliga – nicht mehr zu nehmen gewesen. Sicher, auch bei einer Niederlage oder einem Unentschieden hätte die Gisdol-Truppe weiterhin alle Trümpfe in der Hand gehabt. Aber warum unnötig verschieben? Dieser Frühlingsfreitagabend im Dietmar-Hopp-Sportpark schien perfekt.
Nach fahrigem Beginn nahm die TSG, unterstützt von 100 lautstarken Fans, das Heft in die Hand. Winter-Neuzugang Denis Thomalla brachte den Ball von der linken Seite in die Mitte, wo Adam Jabiri zur 1:0-Führung einköpfte (26.). Was danach passierte, riss TSG-Torwarttrainer Oliver Tuzyna später zu dieser frenetischen Aussage hin: „Das war heute eine Weltklasse-Leistung.“ Keeper Jens Grahl spielte wie im Rausch. Nicht, dass Walldorf eine totale Dominanz ausgeübt hätte, doch kamen die Astor-Städter zu mehreren „Hundertprozentigen“, die die Hoffenheimer Nummer 1 allesamt entschärfte.
Auf Hoffenheimer Seite hatten Ludwig (54.) und Jabiri (78.), dem ein weiterer Kopfballtreffer wegen vermeintlicher Abseitsstellung verweigert wurde, noch nennenswerte Möglichkeiten. Doch in der hektischen Schlussphase ging es nur noch darum, den Sieg und den Aufstieg über die Zeit zu retten. Dann der von Gisdol herbeigeschrieene Schlusspfiff.
„Nie mehr … Oberliga!“, skandierten Fans und Spieler gleichermaßen auf dem sektgetränkten Rasen, Gisdol stimmte im Kreis seiner Jungs eine Humba an. Als das Flutlicht ausging, ebbten die Jubelszenen noch lange nicht ab.
Aus der Kabine im FC-Astoria-Stadion hallten zu später Stunde weiter die Gesänge. Erst gegen Mitternacht zog der U23-Tross weiter in eine Heidelberger Diskothek, wo die Nacht zum Tag gemacht wurde. „Heute geht keiner vor mir nach Hause“, versprach Gisdol.
Vielleicht heißt es schon am Samstag: „Nie mehr Regionalliga.“
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