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HISTORIE
30.09.2024

Heinz Seyfert: Mit Herz und Hand für die TSG

Von der Kreisliga in die Champions League: Was für viele Hobby-Fußballer der große Traum ist, erfüllte sich für Heinz Seyfert bei der TSG Hoffenheim – zugegeben, nicht alles als Spieler, dafür aber in so vielen verschiedenen Funktionen wie kaum ein anderer Betreuer eines Bundesligisten. Doch die Geschichte dahinter enthält viele Wendepunkte. Der Zeugwart der TSG, heute 76 Jahre alt, erlebte knapp die Hälfte der Geschichte der TSG aktiv mit und blickt zurück.

Ein Gespräch mit Heinz Seyfert verläuft in verschiedenen Stufen. Zu Beginn wirkt es manchmal so, als hätte Seyfert selbst nicht das größte Interesse an einer Unterhaltung. Der 75-Jährige lässt im Leben lieber Taten sprechen und wartet in Gesprächen eher ab. Man könnte meinen, er mauert, ist in Abwehrhaltung. Doch wenn Seyfert einmal ins Rollen kommt, egal ob früher auf dem Feld oder nun als Gesprächspartner, verändert sich die Ausgangslage und es wird furios.

Egal, um welches Thema es eigentlich geht, es wird über alles gesprochen. Dabei gilt: Alles, außer Hochdeutsch. Dass Seyfert aus dem Kraichgau stammt, verbirgt er nicht, denn er ist stolz darauf. Der Zeugwart der TSG sitzt auf seinem Stuhl, lacht verlegen und erzählt voller Inbrunst Geschichten, schweift ab, erinnert sich. Gern auch an Dinge, die teilweise nichts mehr mit dem ursprünglichen Thema zu tun haben, aber vor allem erzählt er Storys, die den Zuhörer fesseln und begeistern.

Von der Dreschmaschine aus entdeckt

Mit seinen mittlerweile 76 Jahren hat die sprichwörtlich gute Seele der TSG Hoffenheim schon einiges erlebt – auf dem Fußballplatz und abseits des Rasens. Doch seine Geschichte bei der TSG ist längst noch nicht auserzählt, Seyfert sammelt munter weiter Anekdoten – und Kilometer: Täglich legt er während der Trainingseinheiten der Profis selbst drei bis vier Kilometer zurück. Man benötigt keinen zweiten Blick, um festzustellen: Das entspannte Rentnerleben hat noch nicht begonnen, seit dem Karriereende sind zwar unzählige graue Haare, aber nur wenige Kilogramm dazugekommen.

Vor rund 75 Jahren war an graue Haare oder überflüssige Kilos noch nicht zu denken. Der Zweite Weltkrieg war erst drei Jahre vorbei, als Heinz Seyfert 1948 in Hoffenheim geboren wurde. Im Dorf und nicht im Krankenhaus geboren zu sein, war damals keine Seltenheit. Dennoch erblickte ein ganz besonderer Bürger Hoffenheims das Licht der Welt. Wohl auf keine andere Person trifft das Urteil so sehr zu, dass jemand die TSG und Hoffenheim über so eine lange Zeit in seinem Herzen trägt – und so sehr geprägt sowie mitgestaltet hat.

1963 schloss er sich seinem Heimatklub an, eine Entscheidung, die sein Leben sowie die Geschichte des Vereins für immer verändern sollte. Und zwar „als Mitglied“, wie Seyfert energisch betont. Denn das erste Mal mitgekickt hatte er schon vorher. Wann das war, weiß er aber nicht mehr. Es ist eine der beachtlich wenigen Gedächtnislücken. Den damaligen Tagesablauf hat er aber noch genau vor Augen: „Ich bin einfach mal mitgekommen. Mich hat damals der Jugendleiter Helmut Essig entdeckt. Der hat auf einer Dreschmaschine gearbeitet und gesehen, wie ich vor dem Haus mit einem Ball gekickt habe. Dann hat er gesagt: ‚Du kommst zu uns'. Mein Vater war eigentlich dagegen, aber ich bin einfach abgehauen und zum Training gegangen. Abends gab es dann immer Ärger, aber das war es wert“, blickt Seyfert zurück. Es ist fast so etwas wie ein zufriedenes Lächeln in seinem Gesicht zu erkennen, wenn er von seiner Lausbubenzeit erzählt.

Rekorde für die Ewigkeit

Mittlerweile hat fast jeder Stein auf dem Klubgelände einen Bezug zu Heinz Seyfert – und das wortwörtlich. Der einstige Spieler hat das ehemalige Klubhaus gemeinsam mit vielen anderen ehrenamtlichen Helfern wie Hermann Zuber und Gerhard Schmitt mitaufgebaut und anschließend als Hausmeister gepflegt. Der gelernte Fliesenleger konnte seinen damaligen Beruf perfekt einbinden. Egal, was anstand, Heinz Seyfert hat überall geholfen: Bei Dorffesten und Sommer- wie Winterfeiern war er stets präsent und sorgte dafür, dass das Vereinsleben intakt blieb und die TSG zudem wichtige Einnahmen generierte. „Wir haben eine neue Theke gebaut, damit die Leute mehr trinken, die standen plötzlich nur noch und der Zapfhahn lief durch. Wir waren auf das Geld angewiesen. Das hat dann die A-Jugend finanziert“, sagt Seyfert. Und wieder huscht ein leichtes Lächeln über sein Gesicht. Wenn er über die alten Zeiten spricht, merkt jeder sofort, dass es „seine“ TSG ist. Mit jeder Faser seines Körpers lebt er für den Verein.

Es ist aber keine einseitige Liebesbeziehung. Bei der TSG Hoffenheim weiß fast jeder, was Heinz Seyfert alles für den Klub getan hat. Fast schon ehrfürchtig reden die Mitarbeiter mit dem Mann, der in seinem Leben nie für einen anderen Verein gespielt hat. Von der Jugend bis zu den Alten Herren durchlief der Stürmer sämtliche Mannschaften und stellte Rekorde für die Ewigkeit auf. Allein für die erste Mannschaft lief Seyfert mehr als 800 Mal auf und erzielte – diese Marke ist ihm wichtig – 220 Tore. Bis rauf in die Landesliga führten seine Tore den Klub, nicht umsonst trägt er den Spitznamen „Der Bomber“. Der wahre Hoffenheimer Rekordtorjäger ist somit nicht Andrej Kramarić, sondern Heinz Seyfert. Und das durfte sich der kroatische Offensivspieler der TSG schon mehrfach anhören. „Ich habe mit Andrej schon ein paar Mal darüber gesprochen. Er kennt die Zahlen und würde gern mehr Tore als ich erzielen, aber da müsste er wohl noch einige Jahre spielen. Das wird er nicht schaffen“, sagt Heinz Seyfert lachend und ergänzt: „Ein wenig Spaß muss sein. Bei mir waren es ganz andere Zeiten, das kann man natürlich nicht vergleichen.“

"Das ist mein Verein"

Heinz Seyfert lebt diesen Klub und kennt ihn wie kaum ein anderer. Bereits seit 1992 arbeitet er als Zeugwart und war davor jahrelang in anderen Rollen tätig. Im Laufe der Jahre und der Erfolge der TSG Hoffenheim wurden die Aufgaben immer mehr, so dass nach dem Bundesliga-Aufstieg 2008 sein Sohn Christian und ein paar Jahre später auch der zweite Sohn Timo zum Team stießen. Gemeinsam kümmern sie sich um die Profis der TSG. Im Klub wird der Familienbetrieb immer liebevoll „die Seyfis“ genannt. Es ist die Dorfklub-DNA in Hoffenheim. Egal, ob ein Mitarbeiter ein T-Shirt braucht oder sonst einen Wunsch hat, die „Seyfis“ erfüllen ihn eigentlich immer. „Mir ist es wichtig, dass es in den Händen eines Hoffenheimers liegt. Das ist mein Verein. Für das Geld macht man das nicht, da geht es um Leidenschaft. Und da fühle ich es bei meinen Söhnen gut aufgehoben.“

Als Betreuer bekommen Heinz, Christian und Timo Seyfert einige Dinge mit, die das Trainer-Team vielleicht nicht auf dem Schirm hat. Und doch weiß jeder, dass die Seyferts nie etwas ausplaudern würden. „Das habe ich noch nie gemacht, da müsste jemand schon richtig Mist bauen. Aber nach all den Jahren höre ich alles in diesem Haus.“ Und doch gibt es auch immer wieder Momente, die Heinz Seyfert stören. „Wir hatten früher nur ein Paar Fußballschuhe, da hätte sich keiner getraut, mehrere Paare zu haben. Aber so ist eben die aktuelle Zeit“, sagt er und seine Mimik wird wieder etwas grimmiger.

Disziplin ist Seyfert wichtig. Der TSG-Zeugwart ist ein Mann der alten Schule. Bei den Spielern spricht er immer wieder ein Machtwort. Interviews aber gibt er bis heute eigentlich nicht gern, lieber lässt er Taten sprechen. Sein Zuhause ist der Fußballplatz. Regelmäßig zeigt er bei Trainingseinheiten sein noch immer vorhandenes Ballgefühl. Wenn ein Ball mal am Rand liegen bleibt, spielt das Urgestein ihn punktgenau wieder in die Mitte. „Das verlerne ich nicht. Meine linke Klebe war tödlich. Die Leute hatten früher nicht umsonst Angst davor“, sagt er nun wieder herzlich lachend. Von der B-Klasse bis zur Bundesliga war Heinz Seyfert bei jedem Aufstieg dabei und hat insgesamt 36 Trainer miterlebt – immer mit dem TSG-Wappen auf der Brust. „Ich bin vermutlich der Einzige im Klub, der sagen kann, dass er die TSG wirklich im Herzen trägt. Für mich ist das eine Herzensangelegenheit.“

Anekdoten-Fundus wächst weiter

Einer, der seinen Weg fast durchgehend begleitet hat, war Peter Hofmann. Zur Anfangszeit trainierte Seyfert den jungen Hofmann bei der TSG, später arbeiteten beide in verschiedenen Rollen für „ihren“ Klub. „Peter war mein bester Freund. Wir sind 20 Jahre lang jeden Winter und Sommer zusammen mit unseren Familien in den Urlaub gefahren. Er fehlt mir“, blickt Seyfert zurück. Sein Gesichtsausdruck ist nun so ernst wie noch nie zuvor in diesem Gespräch. Der Tod von Peter Hofmann im September 2020 hat ihn getroffen.

Ihm selbst geht es gesundheitlich gut. Auch wenn er vor rund 15 Jahren eine neue Herzklappe eingesetzt bekam, denkt Seyfert auch mit 76 Jahren noch lange nicht ans Aufhören. Der Hoffenheimer hat weiterhin Spaß an seinem breitgefächerten Beruf. Seine Maxime lautet dabei stets: „Ein Jahr mache ich noch." Er sagt es nun seit mehr als zehn Jahren. Und so wächst Jahr für Jahr sein schier unendlicher Fundus von Anekdoten und Geschichten. Heinz Seyfert ist das lebende Archiv der TSG. Und eins ist sicher: Hätte er sich selbst eine Herzklappe anfertigen können – sie wäre blau-weiß geworden. Aber auch so wird sein Herz immer für seine TSG schlagen.

 

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