Vom Gummiball bis zur „Schnapsidee“
War es Zufall? Intuition? Glück? Manchmal ist es vielleicht einfach Schicksal. So war es zumindest an jenem 14. Juni 1989. Es war der Tag der ersten regulären Hauptversammlung der SAP, die im Herbst 1988 an die Börse gegangen war. Die Zahlen waren erfreulich, die Sitzung in Karlsruhe früher beendet als gedacht.
Ich hatte noch Zeit, um an jenem Mittwochabend auf dem Rückweg ins Seewaldstadion nach Elsenz zu fahren. Es war ein warmer Tag, mehr als 1.000 Zuschauer waren zum Platz gekommen – und ich wollte sehen, was mit der TSG passiert. Ich hatte das Interesse, den Kontakt zum Klub ja nie verloren, trotz der beruflichen Belastung mit Gründung, Aufbau, Wachstum und weltweiter Entwicklung der SAP. Ich wusste also, dass es an diesem Mittwochabend um etwas ging – Relegationsspiel gegen den 1.FC Stebbach. Am Ende verloren wir 2:4 nach Verlängerung – und in unserem Klubmagazin SPIELFELD hieß es später mal augenzwinkernd, es sei „die Mutter aller Niederlagen“. Da ist etwas dran. Mit diesem Spiel, mit dem erneuten Abstieg in die A-Klasse, der für nicht wenige einer Schmach glich, begann eine neue Zeitrechnung für den Klub.
Die TSG Hoffenheim hatte die gesamte Spielzeit 1988/89 gegen den Abstieg gekämpft – viele Spiele unglücklich verloren, selten die Ergebnisse eingefahren, die möglich gewesen wären. Die lokale Trainer-Legende Emil Kühnle war zuvor verpflichtet worden, um die Mannschaft aufzubauen. Ich erinnere mich noch, dass ich das Spiel neben dem damaligen Präsidenten Theo Berberig verfolgte. Wir lagen schnell 0:2 zurück, schafften aber den Ausgleich und waren drauf und dran, die Partie zu drehen – aber „Podder“ Podkalicki, damals Spielertrainer bei der TSG, scheiterte kurz vor Schluss am Stebbacher Torwart. Eine Verlängerung später waren wir abgestiegen, am Boden. Und ich sagte Theo Berberig zu, dass ich mich engagieren würde.
Jede Wurst versteuern
Einen Tag später rief ich wie versprochen beim damaligen TSG-Präsidenten an und bat ihn, gemeinsam mit dem damaligen Abteilungsleiter Siegbert Hoffmann sowie dem jungen Spielleiter namens Peter Hofmann zu mir ins SAP-Büro in Walldorf zu kommen. Treffpunkt Sonntag, 10 Uhr. Peter Hofmann, der später nicht nur Präsident, sondern auch zu einem engen Freund wurde und leider viel zu früh verstarb, hat mir später mal gesagt, er habe schweißnasse Hände vor Aufregung gehabt. Und als ich, damals 49 Jahre alt, dem knapp zwei Jahrzehnte Jüngeren bei diesem ersten Termin das „Du“ anbot, sei er noch aufgeregter gewesen. Dabei gab es dafür überhaupt keinen Anlass. Im Gegenteil: Es war der Beginn einer wundervollen Freundschaft. Es ging damals nicht darum, das große Rad zu drehen, von Profifußball war nicht die Rede. Selbst die Vorstellung, mit dem damals übergroßen SV Sandhausen zu konkurrieren, galt uns allen, auch mir, im Juni 1989, noch nicht als Ziel. Mir ging es immer vornehmlich um die Jugend. Wir hatten damals bei der TSG im Nachwuchs fast nur Spielgemeinschaften. Das wollte ich unbedingt ändern. Also leistete ich zunächst meinen Beitrag für die kleinen Dinge der Infrastruktur, sponserte Bälle, Trainingsanzüge, Ausrüstung. Und ich nahm ihnen das Versprechen ab, wirklich jede Wurst zu versteuern, eine gewisse Form von Professionalität walten zu lassen. Sie taten es, es ging bergauf. Und ich glaube, als dann eines Abends Erwin Rupp, die Sandhäuser Spielerlegende, in unsere Kabine kam, um sich (letztlich vier Jahre lang) das TSG-Trikot anzuziehen, wusste jeder: Jetzt wird es ernst.
Für mich persönlich war es großartig zu sehen, wie sich der Klub entwickelte. Es war die Fortsetzung einer Liebesgeschichte eines kleinen fußballspielenden Jungen, ein Leben, das bei mir Weihnachten 1947 so richtig begonnen hatte. An Heiligabend bekam ich einen Gummiball. Er war nicht ganz rund, aber er war der helle Wahn. Ich habe den Ball den ganzen Abend an die Wand geschmissen und Torwart gespielt. Das war das allergrößte Glücksempfinden, das man sich vorstellen kann. Im Frühjahr landete der Ball beim Bauer nebenan, der ihn nicht mehr herausrückte. Der Ersatzball konnte leider nicht mit dem ja ebenfalls keineswegs perfekten Vorgänger mithalten: Noch weniger rund, aus Fahrradschläuchen zusammengeflickt. Der Spaß am Fußball blieb ungetrübt. Nur in den Verein, das durfte ich lange nicht. Meine Mutter hatte mir das Kicken im Verein untersagt, nachdem sich mein ältester Bruder Wolfgang eine schwere Knieverletzung zugezogen hatte, die seine Laufbahn beendete. Das Veto von ihr hatte Bestand, bis zum 4. Juli 1954, dem Tag, an dem ein Spiel alles veränderte. Das Wunder von Bern, das 3:2 im WM-Finale gegen die Ungarn, elektrisierte auch mich. Es gab kein Halten mehr. Ich wollte auch Fritz Walter sein. Und so marschierte ich zur TSG, einmal über die heutige Bundesstraße 45 den Berg hinauf, und machte mein erstes Spiel, in den uralten Knickerbockern meines Bruders Rüdiger, die ich auftrug. Es war das Derby gegen Dühren, es endete 1:1. Die Hose riss. Der Fußball aber ließ mich nie mehr los.
Abstieg nach verschossenem Elfmeter
Wir hatten damals nur zwei Altersklassen. Da stand ich als 14-jähriger Bursche plötzlich auch schon mal den groß gewachsenen 18-Jährigen gegenüber. Das hat auch abgehärtet. Ich erinnere mich aus jener Zeit auch noch an einzelne Spiele, leider auch an schlimme: Wir haben einmal 0:12 gegen Zuzenhausen verloren. Das war fürchterlich. Denn damals war es noch echte Rivalität zwischen Zuze und Hoffe, ich erinnere mich an ein großartiges 4:3 nach 0:3-Halbzeitrückstand, aber leider ebenso eine bittere 3:5-Niederlage gegen den großen Dorfrivalen, bei der ich einen Elfmeter verschossen habe.
Wir stiegen deshalb ab, was für eine Pointe. Als ich später nach Karlsruhe ins Studium ging, fuhr ich am Wochenende heim, um das TSG-Trikot überzuziehen. Aus dieser Zeit stammt auch die Absprache mit dem Bauer Engelhardt, der mir als Stürmer für jedes Tor eine Dose Leberwurst versprach – und auch lieferte. Und am Sonntagabend fuhr ich dann, im besten Fall entsprechend mit Naturalien versorgt, wieder zurück – ins Studentenwohnheim. Einmal habe ich drei Dosen mitgebracht. Da war ich kurz der König. Der Sport hat mich geprägt, die Kameradschaft, Teamgeist, all‘ das hat mir immer gefallen, mir viel gegeben. Und dank meiner wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ich mir mit der Idee und Gründung der SAP erarbeitet hatte, war es beileibe kein spontanes Bedürfnis, der TSG zu helfen.
Es war, es ist, es bleibt eine Herzensangelegenheit, diesen Klub auch nach der eigenen Laufbahn als Stürmer auch abseits des Rasens zu unterstützen. Diese Geschichte nahm am 14. Juni 1989 in Elsenz ihren Anfang – und führte uns in unglaubliche Dimensionen. Dabei hatten wir eigentlich im Sommer 2000 das Ziel meiner Träume erreicht, waren in die Oberliga Baden-Württemberg aufgestiegen und konnten uns dort mit dem SV Sandhausen messen. Wir wurden als Abstiegskandidat gehandelt – und schafften mit Hansi Flick als Trainer das erste „Wunder von Hoffenheim“: Ein souveräner 3:0-Sieg in Heilbronn bedeutete den sensationellen Aufstieg in die Regionalliga, die damals noch die dritthöchste Spielklasse war.
Bundesliga-Aufstieg als schönstes Erlebnis
Entscheidend war für mich aber immer, dass die TSG Hoffenheim eine herausragende Jugendarbeit macht. Ab 2001 waren wir immer in der höchstmöglichen Jugendspielklasse dabei, ab 2005 dann in der U19-Bundesliga. Die Talente, die wir hatten, besaßen aber bei den Senioren in Hoffenheim keine Perspektive. Daraus erwuchs der Gedanke, dass wir ihnen ein Angebot machen müssen, im besten Fall dauerhaft Bundesliga-Fußball in der Rhein-Neckar-Region bieten wollen. Ich habe es mal scherzhaft eine ‚Schnapsidee‘ genannt, aber nüchtern betrachtet war es wohl abseits der SAP-Gründung die beste Idee meines Lebens. Und tatsächlich gehört das 5:0 gegen Greuther Fürth am 18. Mai 2008, der Aufstieg in die Bundesliga, das zugleich letzte Pflichtspiel unserer Herrenmannschaft im Dietmar-Hopp-Stadion, zu den allerschönsten Momenten meines Lebens mit der TSG. Und ich weiß aus vielen Gesprächen, dass viele Hoffenheimer es ebenso empfinden. Wir waren am Ziel.