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26.08.2024

Lerch: „Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten“

Für Stephan Lerch hat seit wenigen Wochen ein neues Kapitel begonnen. Der ehemalige Cheftrainer der TSG Hoffenheim fungiert seit diesem Sommer ausschließlich als Sportlicher Leiter der TSG und steht somit nicht mehr regelmäßig auf dem Fußballplatz. Wie der 40-Jährige seinen Wechsel bewertet, welche Aufgaben er hat und welche neuen Perspektiven er erhält, verrät er im Interview:

Stephan, die erste Vorbereitung in deiner Funktion ausschließlich als Sportlicher Leiter geht zu Ende. Wie blickst du auf die vergangenen Wochen zurück?

„Ich würde noch vor Beginn der Vorbereitung einsteigen, weil auch die Wochen davor für mich anders waren als vor einem Jahr. Wir hatten noch einige Themen auf der Agenda, die noch zu klären waren. Wir mussten unseren Kader für diese Saison komplettieren und auch im Trainerteam waren noch Personalfragen zu beantworten. Da ich als Sportlicher Leiter in diesen Entscheidungen ganz anders involviert bin, war es für mich eine intensive Zeit, die sich bis in die Vorbereitungsphase hineingezogen hat.“

Wie würdest du die Unterschiede zwischen der Rolle des Trainers und des Sportlichen Leiters beschreiben?

„Es liegt auf der Hand, dass meine neue Position ganz andere Perspektiven mit sich bringt. Daher waren die vergangenen Monate für mich sehr lehrreich und spannend. Es macht mir viel Spaß die neuen Aufgabenfelder kennenzulernen. Gleichzeitig merke ich auch, dass sich einiges verändert. Auf einige Dinge habe ich keinen direkten Einfluss mehr. Gerade in Bezug auf die Arbeit auf dem Platz.“

Stephan Lerch steht auf dem Trainingsplatz

Stephan Lerch war bis Saisonende 2024 Cheftrainer der TSG-Frauen (Foto: Uwe Grün).

Vermisst du denn das Trainer-Dasein?

„Wenn ich es nicht vermissen würde, dann hätte ich in den vergangenen Jahren einiges falsch gemacht. Ich ertappe mich schon dabei, dass mir an manchen Tagen der Geruch des Rasens fehlt. Aber ich bin nicht unglücklich, da es eine bewusste Entscheidung war, die Rolle des Sportlichen Leiters zu übernehmen.“

Siehst du in deiner neuen Rolle Vorteile darin, dass du selbst jahrelang Trainer gewesen bist?

„Ich würde es definitiv als Vorteil bewerten. Ich kenne die Situationen und Fragestellungen, die innerhalb eines Teams aufkommen. Hierbei ist es für mich wichtig den Perspektivwechsel hinzubekommen. Als Trainer hast du deine eigene Philosophie im Kopf. Nun kann ich viele Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Das ist gewinnbringend, da es zum Nachdenken anregt. Darüber hinaus ist sicher jeder Trainer froh darüber, wenn man sich mit Leuten austauschen kann, die viele Situationen ebenfalls erlebt haben. Am Ende ist es für alle ein Lernprozess, der nie zu Ende ist.“

Welches Fazit würdest du mit Blick auf die Vorbereitung ziehen?

„Der Umbruch, den wir bewusst im Sommer eingeleitet haben, ist klar zu erkennen. Das Gesicht des Teams hat sich verändert. Sowohl auf als auch neben dem Platz. Veränderungen führen dabei zu Unsicherheiten, aber gleichzeitig auch zu neuen Impulsen. Diese Mischung in den vergangenen Wochen zu beobachten war sehr spannend. Ich finde, dass sich das Team immer besser eingespielt hat und Anpassungen bereits erkennbar waren. Daher blicke ich auch optimistisch auf den Saisonstart.“

Die Veränderungen im Kader hast du angesprochen. Wie siehst du das Team für die neue Saison in der Google Pixel Frauen-Bundesliga gewappnet?

„Generell würde ich behaupten, dass wir eine gute Mannschaft zusammen haben. Auf allen Positionen haben wir mehrere Optionen. Das war ein Ziel im Sommer, um den Konkurrenzkampf hochzuhalten. Es ist auch klar, dass wir einige Abgänge hatten, wodurch Qualität verloren gegangenen ist. Aber ich finde, dass wir auch sehr viel Klasse dazu gewonnen haben. Nachdem wir im vergangenen Sommer eher in die Breite investiert haben, wollten wir dieses Jahr das Gerüst stabilisieren und Peaks setzen. Das ist uns gelungen. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir nicht alles realisieren konnten, was wir gerne wollten, aber in der Summe sind Spielerinnen zu uns gekommen, die uns spielerisch als auch menschlich weiterhelfen.“

Die Mannschaft klatscht sich nach dem Training ab.

Eine gute Mischung: Die TSG ist gut auf die neue Saison vorbereitet (Foto: Michael Memmler).

Unterm Strich bist du also mit dem Transfer-Sommer zufrieden?

„Ja, ich bin in der Gesamtheit zufrieden. Gerade in der Offensive haben wir eine sehr hohe Qualität und viele Möglichkeiten. Wir verfügen über Typen, die eher über das Tempo Akzente setzen. Genauso haben wir Spielerinnen, die über die Technik kommen. Abschlussstärke und körperliche Präsenz sind ebenfalls vorhanden. Defensiv verfügt der Kader über bundesligaerfahrende Spielerinnen sowie einige Potentialspielerinnen, die ihre ersten Schritte in Deutschland jetzt gehen werden. Daher bin ich mit unserer Mischung insgesamt sehr zufrieden, da wir kaderübergreifend über ein stimmiges Bild aus Erfahrung, frischem Wind und Entwicklungsfähigkeit verfügen. Alles, was zur Vereinsphilosophie passt. Und das trotz steigender Ansprüche.“

Welche Ansprüche meinst du?

„Unsere Ansprüche als Verein sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Schon in der abgelaufenen Spielzeit hatten wir die Möglichkeit den dritten Platz zu erreichen. Leider ist uns das nicht gelungen. Mittelfristig wollen wir aber auf die internationale Bühne zurückkehren. Auch im DFB-Pokal wollen wir erfolgreich sein. Den Spagat zwischen Erfolg und Talentförderung zu schaffen, ist dabei die große Herausforderung. Um Ergebnisse einzufahren, benötigst du heutzutage Erfahrung. Nur mit Talenten hast du keine Chance. Dennoch wollen wir unseren Perspektivspielerinnen die nötige Zeit geben, um sich zu verbessern. Das ist der Weg, den wir gehen wollen.“

Die Konkurrenz wird immer stärker, es gibt viel mehr Partien auf Augenhöhe. Wie schwierig ist es, seine Position im oberen Tabellendrittel zu verteidigen?

„Die Stärke der Liga muss differenziert betrachtet werden. Mit der Kader-Qualität und dem finanziellen Background müssen der FC Bayern und der VfL Wolfsburg die ersten beiden Plätze normalerweise unter sich ausmachen. Diese Stellung haben sie sich über Jahre erarbeitet. Dahinter sehe ich schon ein engeres Rennen. Von Platz drei bis Rang acht oder neun rückt es näher zusammen, da viele Vereine die Bedeutung des Frauenfußballs für sich erkannt haben und das Thema ernster nehmen als noch vor ein paar Jahren. Das ist gut und macht die Liga attraktiver. Gleichzeitig muss uns als TSG bewusst sein, dass wir weiter an uns arbeiten müssen, um unsere Stellung zu behaupten. Die Einführung eines weiteren internationalen Wettbewerbs ab der Saison 2025/26 wird aus meiner Sicht dazu führen, dass andere Vereine noch mehr in den Frauenfußball investieren werden.“

Wir gehen mit einem neuen Cheftrainer, deinem Nachfolger, in die neue Saison. Wie waren die ersten Wochen mit Theodoros Dedes?

„Es hat sich alles bestätigt, was wir uns nach den Gesprächen mit ihm erwartet haben. Seine fußballerische Herangehensweise passt genau zu der Philosophie wie wir die TSG sehen. Bei ihm steht das Spiel mit Ball im Vordergrund und ich finde, dass vieles bereits auf dem Platz zu erkennen ist. Für mich ist es genau wie für ihn eine Findungsphase. Ich möchte dem Trainerteam genug Raum geben, um sich zu entfalten, und stehe trotzdem zum Austausch zur Verfügung. Und das funktioniert aus meiner Sicht bisher sehr gut.“

Stephan Lerch sitzt neben Niklas Becher, der steht.

Stephan Lerch ist als Sportlicher Leiter mehr in der Beobachterrolle (Foto: TSG Hoffenheim).

Neben Theodoros Dedes als Cheftrainer gab es noch weitere Anpassungen im Trainer- und Funktionsteam…

„Ja, das stimmt und ich bin mit der Zusammensetzung unseres Teams sehr glücklich. Mit Mirella Junker haben wir eine Co-Trainerin dazu gewonnen, die ich schon sehr lange kenne. Neben ihrer großen Erfahrung im Frauenfußball schätze ich vor allem ihre offene und herzliche Art. Sie ist eine gute Ergänzung zu Philipp Arnold, der aufgrund seiner sportwissenschaftlichen Ausbildung einen stärkeren analytischen Ansatz wählt. Auch durch die Vollbeschäftigung unseres Video-Analysten Niklas Becher konnten wir einen weiteren Schritt nach vorne machen, da die Spielerinnen verstärkt Einzelanalysen erhalten werden. Außerdem ist es uns gelungen den sport-medizinischen Bereich zu optimieren. Mit Sven Kienzle ist ein erfahrener Physiotherapeut zu uns gestoßen, der bereits viele Jahre im Fußball tätig ist. Zudem konnten wir auch die Anzahl an Personen erhöhen, die sich in Sachen Pflege und Regeneration um das Bundesliga-Team kümmern. Nach dem Weggang von Esra Jösel konnten wir mit Wendy Hartwig eine motivierte und gute Therapeutin aus dem U20-Bereich hochziehen.“

Wo liegt aus deiner Sicht weiteres Potential?

„Zunächst möchte ich klarstellen, dass wir in St. Leon-Rot über sehr gute Trainingsbedingungen verfügen. Wir haben hervorragende Rasenplätze und die Spielerinnen werden an den Trainingstagen mit Mittagessen versorgt. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Da sind wir im Bundesligavergleich weit vorne. Diesen Vorsprung sollten wir versuchen im wahrsten Sinne des Wortes auszubauen. Das heißt, dass wir einen Fokus auf unsere Infrastruktur legen sollten und die Stärken, die wir bereits haben, fördern. Neben der Anpassung unserer infrastrukturellen Gegebenheiten sehe ich auch noch Potential im personellen Bereich. Die Anforderungen werden im Frauenfußball immer größer und die Mitarbeitenden sind bereits am Limit, weshalb wir auch dort ein Blick darauf haben müssen. Es wird mittelfristig darum gehen, dass wir uns personell erweitern, um die Herausforderungen zu meistern. Unterm Strich müssen wir noch mehr als bisher ins Machen kommen. Unser Motto sollte lauten: Lasst uns versuchen immer 1 % besser zu werden als zuvor.“

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