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SPIELFELD
12.10.2023

Weghorst: „Es war ein anderer Weg“

Wout Weghorst wechselte im August zur TSG Hoffenheim. Der 31-Jährige gilt mit seinen 1,97 Metern als klassischer Strafraumstürmer und möchte an seine erfolgreiche Bundesliga-Zeit in Wolfsburg, wo er im Schnitt in jedem zweiten Spiel traf, anknüpfen. Im Interview mit SPIELFELD gewährt der Niederländer Einblicke in seine Kindheitsträume, spricht offen über den Konflikt mit Lionel Messi bei der WM 2022 und über seinen komplizierten Weg in den Profifußball.

Wout, eigentlich wollten wir uns fürs Foto- Shooting vor der AVIA-Tankstelle in Hoffenheim treffen, weil Deine Familie in den Niederlanden mehr als 130 Tankstellen betreibt. Du hast Dich aber für einen anderen Ort ausgesprochen. Warum?

„Mein Vater war damals bei unserem Dorfklub engagiert und es hieß immer, dass ich nur deshalb spiele, weil er der Hauptsponsor sei. Ich habe immer gesagt, dass ich den Familienbetrieb und meine Fußballkarriere trennen möchte. Ich bin ich und möchte an meinen Leistungen gemessen werden.“

Kennst Du die besondere Geschichte der Tankstelle in Hoffenheim?

„Ja, natürlich, das wurde mir hier schnell erzählt. Mir ist sie auch sofort aufgefallen, so wie mir alle Tankstellen von AVIA direkt ins Auge fallen.“ (lacht)

War es denn nie eine Option, im Familienbetrieb Karriere zu machen?

„Nein.“

Auch nicht als Du in den Niederlanden in einer Amateur-Liga gespielt hast?

„Wenn man mit 18 Jahren noch auf dem Dorf auf keinem guten Niveau spielt, macht man sich natürlich Gedanken. Ich habe aber trotzdem immer gesagt, dass ich Fußballer werde und es schaffe. Auch wenn meine Eltern oder meine Familie dann gefragt haben, ob ich einen Plan B habe, war ich überzeugt davon. Ich habe nebenher studiert, gearbeitet und abends Fußball gespielt. Es war ein anderer Weg, aber es ist eben mein Weg. Ich habe immer daran geglaubt, mit viel Arbeit und hohem Aufwand dahinzukommen, wo ich hinwollte.“

Gab es den Moment, in dem Du gemerkt hast, dass es wirklich klappen kann?

„Ich konnte schon immer sehr schnell Dinge adaptieren. Egal, auf welchem Niveau ich gespielt habe, ich konnte sofort überall mithalten. Auch, als ich dann in der ersten Liga angekommen war und wir im Kader bei Heracles Almelo eigentlich viele talentierte Stürmer hatten. Ich war auch schon 21 Jahre alt. Aber in meinem ersten Spiel in der Eredivisie habe ich direkt getroffen, dann habe ich gemerkt: ‚Gut, das klappt auch hier.‘ Dazu haben wir gegen Ajax Amsterdam gespielt, danach war mir klar, dass ich jetzt wirklich Profifußballer bin. Mir sind noch im Spiel die Tränen gekommen, weil es für mich ein sehr emotionaler Moment war.“

Waren die Tränen auch ein Beleg dafür, dass Du viele Widerstände überwinden musstest?

„Ich habe sehr oft gehört, dass ich es nicht schaffen würde, dass ich nicht gut genug wäre. Ich habe immer dagegen ankämpfen müssen. Ich war eben anders, anders als andere. Mein Weg war nicht einfach, aber für mich alternativlos. Für mich gab es keine andere Wahl, als Fußballer zu werden. Mein Mindset ist klar: Wenn du etwas willst, kannst du es auch erreichen.“

Haben Dich die Stimmen der Kritiker angetrieben?

„Ich konnte im Fußball immer komplett aufgehen. Natürlich ist es ein Teamsport, aber du bist für dich allein verantwortlich, wenn du vorankommen möchtest. Wenn ich kritisiert wurde, habe ich immer gedacht: ‚Wartet ab, ihr werdet es schon sehen.‘ Und die Leute haben es gesehen.“

Du hast in einem Interview gesagt, dass Du schon als Amateur wie ein Profi gelebt hast. Wie sah Dein Leben damals aus?

„Es waren eher Kleinigkeiten. Ich habe mich bewusst ernährt, bin vor Spielen früh ins Bett gegangen und war nicht feiern. Ich habe so gelebt, weil ich immer gewinnen wollte und dafür alles gemacht habe. Ich spiele nicht Fußball, um ein bisschen Spaß zu haben, ich will gewinnen. Da habe ich auf dem Dorf gemerkt, dass ich anders ticke als einige andere.“ (lacht)

Und, kannst Du auch heute noch schlecht verlieren?

„Das ist die falsche Bezeichnung, ich bin kein schlechter Verlierer. Ich möchte immer gewinnen, aber wenn du am Ende verlierst, gehört das zum Sport eben dazu. Dann kann man das auch mal akzeptieren. Es tut aber weh, wenn du alles versuchst um erfolgreich zu sein, es aber nicht klappt. Diesen Willen, den habe ich in mir drin, ich möchte immer das Maximale herausholen.“

Du hast im vergangenen Jahr bei der Weltmeisterschaft für die Niederlande gespielt. War das vielleicht der größte Traum, der für Dich in Erfüllung ging?

„Das war das absolute Highlight, ja. Das war Wahnsinn. Vor allem das Viertelfinale gegen Argentinien, auch wenn wir im Elfmeterschießen verloren haben. Ich wusste vieles davon gar nicht mehr, erst als ich die Bilder gesehen habe, habe ich realisiert, was da passiert ist. Ich kam rein, als wir 0:2 zurücklagen, aber bei mir hat alles funktioniert. Es war wie im Rausch.“

Du sprichst das Spiel gegen Argentinien an: Du hast zwei Tore erzielt und auch im Elfmeterschießen getroffen, trotzdem seid Ihr ausgeschieden. Blickst Du dennoch mit Stolz auf dieses Spiel zurück oder überwiegt die Enttäuschung?

„Ich habe gelernt, auch solche Momente wertzuschätzen. Aber man denkt natürlich noch darüber nach. Hätten wir gewonnen, wäre das Halbfinale gegen Kroatien gewesen, auch da hätten wir Chancen gehabt. Die Fragezeichen, was für uns möglich gewesen wäre, wenn wir das Elfmeterschießen überstanden hätten, bleiben. Am Ende überwiegt aber der Stolz. Als ich danach im Bett lag, wusste ich direkt, dass das ein für mich sehr besonderes Spiel war. Ich konnte zwei, drei Nächte nicht schlafen.“

Das Spiel wird aber auch immer wegen Deines Konflikts mit Lionel Messi in Verbindung gebracht. Findest Du das schade?

„Nein. Ich war halt, wie ich bin. Und mir ist auf dem Platz auch egal, wer mir gegenübersteht. Ich kam rein, habe schnell das 1:2 erzielt und dann in einem Zweikampf mit Messi auch bewusst den Kontakt gesucht. Ich wollte mich entschuldigen und ihn hochheben, da hat er meine Hand aber nicht angenommen. Dann hat es sich hochgeschaukelt. Für mich ist das aber kein Thema mehr. Ich sehe es auch als Kompliment, dass ein so großer Spieler über mich verärgert war, das habe ich mir auf dem Platz mit meiner Leistung erarbeitet. Aber ich war immer respektvoll. Ich wüsste nicht, was ich hätte anders machen sollen.“

Messi nannte Dich in einem Interview „bobo“, was man mit Idiot oder Narr übersetzen kann. Tat Dir das weh?

„Absolut nicht. Als ich zu Manchester United kam, traf ich dort auf Lisandro Martinez, der auch mit Argentinien Weltmeister geworden ist. Im ersten Training habe ich direkt gemerkt, dass da noch eine gewisse Anspannung war, dann habe ich ihn einmal „bobo“ genannt und das Eis war gebrochen. Von da an haben mich die Jungs in Manchester immer „bobo“ genannt, das war dann ein Riesending.“ (lacht)

Bist Du jemand, der auch mal aneckt?

„Das ist für mich schwer zu bewerten. Ich bin einfach ich. Ich bin extrem in allem, was ich mache. Nicht nur als Fußballer, ich mache alles mit purer Leidenschaft und versuche, mein Bestes zu geben. Natürlich lernt man dazu, im Alter wird man auch etwas ruhiger. Ich mache mir aber insgesamt nicht so viele Gedanken. Das ist auch nicht immer vorteilhaft, aber ich habe noch nie etwas getan, um jemandem zu gefallen. Alles, was ich tue, mache ich aus voller Überzeugung. Ob es auf dem Platz ist oder daheim bei meiner Familie.“

Du hast drei Töchter, bist also mit vier Frauen zu Hause. Ist das manchmal anstrengend?

„Ich merke überhaupt keine Anstrengung, es ist super. Ich hatte viele Träume, was den Fußball betrifft, ob es die Premier League oder die Weltmeisterschaft war. Für mein Privatleben hatte ich immer einen Traum: viele Kinder, am liebsten vier Mädels. Jetzt sind es drei, mal sehen, ob es noch eins sein darf.“ (lacht)

Hat Dich die Gründung Deiner Familie verändert?

„Ich wurde mit 25 Jahren zum ersten Mal Vater, das hat wirklich sehr viel verändert. Man sieht viele Dinge aus einer anderen Perspektive. Bis dahin war es nur Fußball, 24 Stunden am Tag. Ich habe jeden Tag alles dafür getan und sonst alles hintangestellt. Als meine erste Tochter geboren wurde, hat sich vieles gedreht. Ich habe weiterhin die gleichen Ambitionen und den gleichen Willen auf dem Platz, aber als Mensch bin ich nun wirklich ein anderer. Meine Familie ist mir sehr wichtig, sie ist auch bei allen Wechseln immer mitgekommen.“

Nun wohnst Du mit Deiner Familie wieder in Deutschland. Wie fühlt es sich an, nach anderthalb Jahren erneut in der Bundesliga zu spielen?

„Die Bundesliga war für mich damals eine Liga, die gut zu mir gepasst hat. Ich hatte aber immer den Traum, in der Premier League zu spielen, deshalb bin ich damals gewechselt. In diesem Sommer hat sich dank der TSG die Möglichkeit ergeben, zurück nach Deutschland zu kommen. Ich habe mich in Deutschland immer wohlgefühlt und eine hohe Wertschätzung erfahren. Deshalb hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl, wieder in der Bundesliga zu spielen.“

Die vergangenen anderthalb Jahre waren sehr turbulent. Du hast für Burnley, Besiktas und Manchester United gespielt. Was nimmst Du mit aus dieser Zeit?

„Trotz der vielen Wechsel war es eine super Erfahrung. Ich bin noch viel erwachsener geworden, habe mich nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch weiterentwickelt. In Burnley habe ich erstmals in der Premier League gespielt und mir damit meinen Traum erfüllt. In Istanbul habe ich eine Leidenschaft der Fans erlebt, die man mit absolut nichts vergleichen kann. Und dann kam Manchester United und meine Chance, für einen der größten Klubs der Welt zu spielen. Ich kam dort auf sehr viele Einsätze, da ging ein weiterer Kindheitstraum in Erfüllung.“

Wie blickst Du konkret auf das halbe Jahr in Manchester zurück?

„Ich bin dorthin gekommen nach der WM, es ging alles sehr schnell. Ich habe viele Partien von Anfang an gespielt, wir haben viele Spiele und vor allem auch den League Cup gewonnen. Am Ende – und das muss ich mir eingestehen – habe ich aber zu wenige Tore geschossen. Als Stürmer von United wirst du daran gemessen, das muss ich auch nicht schönreden, zwei Treffer in 31 Partien reichen nicht. Der Wertschätzung der United-Fans tat das aber keinen Abbruch, da sie merkten, dass ich immer 100 Prozent gegeben habe. Deshalb war es eine wunderschöne Zeit.“

Aber Du hast dennoch ein Tor im Old Trafford geschossen, in der Europa League gegen Betis Sevilla. Nimm uns mal in Deine Gefühlswelt nach diesem Moment mit.

„Ich habe in meinem ersten Interview gesagt, dass ich es kaum erwarten kann, mein erstes Tor zu erzielen. Normalerweise klappt das bei mir dann auch schneller, ich musste aber einige Wochen warten. Nach dem Tor gegen Sevilla ist dann aber alles aus mir herausgekommen, es war ein ganz spezieller Moment für mich. Es sollte mein einziger Treffer im Old Trafford bleiben. Das macht ihn im Nachgang besonders.“

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