„Hoffe zwo“-Serie (24): Thomas Gomminginger, der Antreiber
Mit 17 Jahren stand Thomas Gomminginger mit den späteren 1990er Weltmeistern Bodo Illgner, Jürgen Kohler, Thomas Häßler, Olaf Thon und Stefan Reuter auf dem Rasen und sang die deutsche Nationalhymne. Insgesamt elf U18-Länderspiele absolvierte der 1966 geborene Heidelberger, der seine Laufbahn in den Jugendabteilungen des VfB Leimen und SV Sandhausen startete. Als 19-Jähriger feierte er mit dem SV Sandhausen und Teamkollege Hansi Flick die Meisterschaft in der damals drittklassigen Oberliga, scheiterte dann aber mit den Hardtwäldern in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga.
Anschließend wechselte Gomminginger zum VfB Stuttgart, wo er zwei Jahre zum Bundesliga-Kader gehörte und in einem Team mit Jürgen Klinsmann, den Gebrüdern Karlheinz und Bernd Förster, Guido Buchwald und Karl Allgöwer zwölf Bundesliga-Partien bestritt. Besonderen Eindruck hat aber ein anderer Spieler hinterlassen: „Unser isländischer ‚Eismeer-Zico‘ Ásgeir Sigurvinsson – ein überragender Fußballer, Spielmacher und charismatisches Mannsbild. Ihm waren jegliche Star-Allüren fremd. Für mich als junger Spieler war das der coolste Typ im Team!“
Parallel zu seiner weiteren sportlichen Laufbahn in der drittklassigen Oberliga beim Traditionsverein VfR Mannheim baute sich Gomminginger sein zweites Standbein auf. Der heute 55-Jährige studierte an der Universität Mannheim BWL mit den Schwerpunkten Finanzierung und Marketing und erlangte seinen Abschluss zum Diplom-Kaufmann. Zwischen dem Examen und der Diplom-Arbeit verwirklichte er einen lange gehegten Traum: „Mich reizte das Abenteuer USA. Mit einem Sportstipendium konnte ich in South Carolina studieren und eine Saison in der NCAA spielen. Das College-System mit moderner Infrastruktur, sehr guten Dozenten, der Erwerb neuer Sprachkenntnisse und Kultur, ein internationales Fußballteam – nichts davon möchte ich missen.“
Mit 27 startete er beim Industriekonzern ABB seine Berufslaufbahn und wechselte drei Jahre später als Abteilungsleiter zu einer großen Immobilientochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG nach Frankfurt. Daneben agierte der B-Schein-Inhaber drei Jahre als Spieler-Trainer beim FC Ziegelhausen/Peterstal, mit dem er die Kreisliga aufstieg und Kreispokalsieger wurde.
Nach einem berufsbegleitenden Zweitstudium der Immobilienökonomie an der European Business School in Oestrich-Winkel wurde Gomminginger mit 33 Jahren Direktor und Bereichsleiter im Immobilienmanagement bei der Deutschen Bank AG. Knapp zehn Jahre später kam der Ex-Profi zur TSG Hoffenheim.
Tobias Strobl, ehemaliger U23-Spieler und heute Bundesliga-Profi beim FC Augsburg, gestand im Gespräch mit tsg-hoffenheim.de: „Anfangs war es schwierig, weil die jungen Spieler nur kicken und nichts von Karriereplanung hören wollen. Heute bin ich Thomas Gomminginger mit meinem absolvierten immobilienwirtschaftlichen Studium für seinen unermüdlichen Antrieb sehr dankbar.“
Thomas, Du hast als junger Mann Bundesliga gespielt. Warum hast Du den VfB Stuttgart 1987 nach zwei Jahren schon wieder verlassen?
„Ich habe nach reiflicher Überlegung diesen Schnitt bewusst vollzogen. Zum einen war absehbar, dass mein Vertrag nicht verlängert wird und mir war bewusst, dass es auf Erstliganiveau letztlich nicht zum Stammspieler reichen wird. Zudem hatte ich aufgrund einer beginnenden Arthrose Schmerzen bei täglichen hohen Belastungen. Da wurde mir auch klar, dass ich meine Zukunft nicht vom Fußball abhängig machen kann.“
Du bist anschließend zum VfR Mannheim und hast Dir mit dem Fußball Dein Studium finanziert. Wie bewertest Du diese Entscheidung heute?
„In diesen Dingen war ich schon immer konsequent. Es war bereits goldrichtig, mit 18 Jahren als U-Nationalspieler trotz mehrerer Angebote aus der Bundesliga noch ein Jahr in Sandhausen geblieben und am Heidelberger Helmholtz-Gymnasium das Abitur fertig gemacht zu haben. Das war die Eintrittskarte für ein Unistudium, mit dem ich schließlich den Grundstein für meine berufliche Laufbahn in der Wirtschaft gelegt habe. Und was es heißt, tagsüber zu studieren, gegen Abend zu trainieren, danach vor Prüfungen wochenlang bis in die Nacht zu lernen und am Wochenende zu spielen, war eine wichtige Erfahrung für meine heutige Funktion bei der TSG.“
Nach 15 Jahren war aber Schluss mit der Businesswelt. Wieso?
„Ich hatte die letzten zwölf Jahre eine einfache, tägliche Wegstrecke von über 100 Kilometern nach Frankfurt zur Arbeit, entsprechende 12-14-Stundentage, ein hohes, eng getaktetes Arbeitspensum mit vielen Dienstreisen und wenig Freizeit – auch für die Familie. Irgendwann stand ich vor der Frage: Your money or your life?“
Die nächste wegweisende Entscheidung!
„Zugunsten eines Lebens mit einer völlig anderen Work-Life-Balance. Geld alleine macht nicht glücklich.“
Es macht aber auch nicht unglücklich?
„Ich hatte Mitte der 80er Jahre beim VfB als junger Bursche inklusive Prämien ein Jahreseinkommen von gut 100.000 Mark und durfte als Teil eines 25-Mann-Kaders ständig Autogramme schreiben – war aber unzufrieden. Danach bin ich zum Studienbeginn in eine kleine Ein-Zimmer-Bude gezogen, saß mit ca. 600 Erstsemestern und meinem Rucksack in einem völlig überfüllten Hörsaal und habe wieder mit Freude als Stammspieler für kleineres Geld Fußball gespielt. Das gleiche Spiel wiederholte sich irgendwann bei der Deutschen Bank!“
Und zwar?
„Anspruchsvolle Projekte, gutes Gehalt, Boni, Firmenwagen – aber ein hoher, kapitalmarktgetriebener Arbeitsdruck inmitten einer kurzfristig orientierten Investmentbanking-Kultur. Das waren teilweise Verhältnisse wie in der TV-Serie ‚Bad Banks‘, dazu ein Fegefeuer der Eitelkeiten in den Führungsebenen. Mit dem Wechsel zur TSG hat für mich ein neues, befreiendes Leben begonnen – mit nur einem Teil der früheren Gesamtvergütung, aber dafür haben wir als Familie eine andere Lebensqualität.“
Du bist jetzt seit 13 Jahren bei der TSG. Wer ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?
„Grischa Prömel und Christoph Baumgartner sind beeindruckende Charaktere, die in jungen Jahren schon sehr reflektiert waren. Dasselbe gilt für Dominik Kaiser, der viele Jahre nach seiner U23-Zeit mal in Zuzenhausen zu Besuch war und als Kapitän von RB Leipzig immer noch denselben koreanischen Kleinwagen fuhr. Da gab es auch keine ‚Bling-Bling‘-Kleidung und Balenciaga-Sneakers. Das hat mir imponiert. Bei den Trainern hat mich das fachliche, charakterliche und intellektuelle Gesamtpaket bei Frank Kramer beeindruckt. Und es gibt noch eine Anekdote mit einem Profi-Spieler…“
Welche?
„Steven Zuber hat mal nach einer Verletzungspause bei uns Spielpraxis gesammelt. Nach der gewonnenen Partie wollte er von mir wissen, welcher U23-Spieler für ihn aus dem Kader gestrichen wurde. Später hat er ihm die Siegprämie weitergeleitet.“
Kommen wir zu Deinen Aufgaben als U23-Teammanager: Wie müssen wir uns Deine Arbeit vorstellen?
„Neben dem Trainer- und Funktionsteam, das täglich auf und neben dem Platz mit den Spielern arbeitet, decke ich alle anderen Themen ab. Das Spektrum ist daher breit und abwechslungsreich. Um dies nur stichwortartig anzureißen: Vereinswechsel und Spielberechtigungen, Organisation von Testspielen und Trainingslagern, Saisonausstattung, Vertragsmanagement, monatliche Prämienabrechnungen, Budgetierung, Unterstützung neuer Spieler bei der Wohnungssuche, Ligaspielterminierungen, Organisation der Mannschaftsverpflegung, Mannschaftsbus, Spieltagabläufe etc., Schnittstelle zu anderen Abteilungen wie Lohnbuchhaltung, Facility Management, Ticketing, Merchandising, Medien usw.“
Du bist nebenbei auch eine Art Laufbahnbegleiter!
„Ja, aufgrund meiner Vita kann ich den jungen Spielern Ratschläge geben, worauf sie bei ihrer Lebensplanung achten sollten. Dazu gehören auch Workshops zur dualen Laufbahnplanung oder zur Vermittlung von finanzbezogenem Grundwissen. Leider leidet diese Aufgabe seit längerer Zeit unter den Corona-Einschränkungen.“
Einige Bundesligisten haben ihren U23-Betrieb eingestellt, die TSG hält ihn aufrecht. Warum ist es Deiner Meinung nach wichtig, eine U23 zu haben?
„Das lässt sich gut an jüngsten Untersuchungsergebnissen festmachen: Seit der Gründung unserer Akademie im Jahr 2006 haben es bisher 92 junge TSG-Talente geschafft, sich in einer der drei deutschen Profiligen oder einer entsprechenden ausländischen Liga durchzusetzen. Mehr als 80 Prozent dieser jungen Spieler wurden über die letzte Ausbildungsstufe der U23 in der Regionalliga als wettbewerbsintensive Herrenliga vom Juniorenfußball an das Profi-Niveau herangeführt.“
Skizziere uns doch bitte mal den idealen Werdegang eines U23-Spielers!
„In der Praxis sieht das so aus, dass ein Spieler entweder nach der U19 in den U23-Kader übernommen wird, sich dort entwickelt und sich mit einer außergewöhnlichen Performance bei uns einen Platz im Lizenzspielerkader verdient. So war es zum Beispiel bei Vincenzo Grifo oder bei Stefan Posch der Fall. Alternativ gibt es die Konstellation, dass ein besonderes 18- oder 19-jähriges Talent nach seiner Juniorenzeit direkt in den Profikader integriert wird, dort auch trainiert und am Wochenende – falls es gemäß des Entwicklungsstands oder der Konkurrenz noch nicht zu regelmäßigen Bundesliga-Einsätzen reicht – in der U23 eingesetzt wird, um Spielpraxis zu sammeln. Das war zum Beispiel das Modell bei Koen Casteels, Nadiem Amiri, Gregor Kobel, Dennis Geiger oder Christoph Baumgartner.“
DIE "HOFFE ZWO"-SERIE
1 | Streifzug durch Zahlen und Fakten
2 | Fisnik Asllani auf den Spuren seines Co-Trainers
3 | Als "Schippo" den Fünferpack schnürte
4 | Kingsley Schindler im Interview
5 | Die Trainer - von Dickgießer bis Herdling
8 | Rückblick mit Tobias Strobl
9 | Emilian Lässig und ein halbes Leben TSG
10 | Zeitreise mit Roland Dickgießer
11 | Fesser, Schorr - und die beste Zeit
12 | Als der Bruchweg überrollt wurde
13 | Alfons Amade, der Pionier
14 | Maxim, der Edelfan
15 | Die Oberliga-Jahre
16 | Die Meister-Saison
17 | Schaufenster und Sprungbrett
18 | Dominik Kaisers ungewöhnlicher Weg
19 | Als es im U23-Duell sieben Mal klingelte
20 | Meris Skenderović, der Stehauf-Typ
21 | Rückschau mit den Heinleins
22 | Das Wohnzimmer