Ralf Kettemann: Selfmade-Trainer ohne Druck
Bei den U23-Heimspielen ist Ralf Kettemann der Mann mit dem Headset auf der Trainerbank der TSG. Um sich mit Spiel- und Videoanalyst Michael Bischof auszutauschen, nutzt der Co-Trainer der Regionalligamannschaft technische Hilfsmittel. Dass „Kette“, wie ihn jeder im Trainerstab von „Hoffe zwo“ nennt, aber auch ganz anders kann – eben ohne Technik, ohne Videoanalyst, überhaupt ohne Trainerstab – hat er in den vergangenen Jahren beim TSV Ilshofen gezeigt. Einem Verein, den Kettemann umgekrempelt und von der Bezirksliga bis in die Oberliga geführt hat. Eine beeindruckende Leistung, die den 33-Jährigen auch in den Fokus der TSG gerückt hat. Aber der Reihe nach.
Geboren im Hohenloher Land – präziser in Crailsheim und damit keiner klassischen Fußballregion, wie Kettemann selber sagt – spielte der offensive Mittelfeldspieler in der Jugend für den dortigen TSV, ehe im zweiten A-Jugend-Jahr der SSV UIm anklopfte und Kettemann für seine U19 verpflichten wollte, die in der A-Junioren-Bundesliga spielte. SSV-Trainer zu der damaligen Zeit: der mittlerweile verstorbene Hermann Badstuber, Vater von Holger Badstuber, dem ein besonderes Auge für Talente nachgesagt wurde.
Obwohl er damals in der höchstmöglichen Juniorenliga spielte, war für Kettemann der Gedanke daran, mit Fußball sein Geld verdienen zu können, weit weg. „Ich hatte bei mir in der Region auch kein Vorbild, an dem ich hätte sehen können, dass das was werden kann.“ Für den SSV machte Kettemann in der Saison 2004/05 alle 26 Saisonspiele und hatte somit großen Anteil am Klassenerhalt der „Spatzen“. Dennoch wechselte er nach nur einem Jahr zurück zum TSV Crailsheim – vor allem, weil er sich seinem Abitur widmen wollte.
Der Schulabschluss klappte ebenso wie der Übergang in den Herrenbereich in Crailsheim. In der Oberliga kam Kettemann regelmäßig zum Einsatz und auch in der Württembergischen Auswahl war er gefragt. Einer der Trainer dort war der heutige TSG-Nachwuchsdirektor Dirk Mack. Bei der Auswahl fiel der technisch beschlagene Mittelfeldmann auch den Scouts des Zweitligisten Greuther Fürth auf und so lief Kettemann in der Saison 2007/08 für die U23 des „Kleeblatts“ in der Bayernliga auf. Unter dem damaligen Coach Bruno Labbadia trainierte er zudem immer mal wieder bei den Profis mit. „Der Trainer meinte, es könnte was werden mit mir“, erinnert sich Kettemann. Doch nach der Saison wechselte Labbadia nach Leverkusen und Nachfolger Benno Möhlmann setzte nicht auf den jungen Mittelfeldspieler aus Crailsheim.
Einst Nachmieter von Marco Wildersinn
Für Kettemann ging es trotzdem weiter nach oben, denn aus der viertklassigen Bayernliga wechselte er in die frisch gegründete eingleisige Dritte Liga zu den Stuttgarter Kickers. Dort traf der damals 22-Jährige erstmals auf seinen heutigen Chef. Marco Wildersinn verließ zu diesem Zeitpunkt jedoch nach drei Jahren die Kickers, ging zum FC Nöttingen und vermachte dem jungen Neuzugang aus Fürth seine Wohnung. Im damaligen Kader der Stuttgarter Kickers fanden sich auch ohne Wildersinn jede Menge Spieler, die es später zur TSG verschlug. Sowohl der heutige Direktor Profifußball Alexander Rosen als auch U19-Cheftrainer Marcel Rapp und U17-Coach Danny Galm sowie der frühere U23-Spieler und heutige Sportdirektor des 1.FC Saarbrücken Marcus Mann und der aktuelle U23-Verteidiger Royal-Dominique Fennell spielten in der Saison 2008/09 für die Kickers.
Für den jungen Kettemann lief es in Stuttgart zwar trotz eines zwischenzeitlichen Mittelfußbruchs gut, denn er kam regelmäßig in der Dritten Liga zum Einsatz. Doch am Ende verpassten die Schwaben den Klassenerhalt und Kettemann zog weiter. Mit dem VfR Aalen stieg er von der Regionalliga in die Dritte Liga auf, wo er unter Trainer Ralph Hasenhüttl (heute in der Premier League beim Southampton FC) eine weitere stabile Saison hinlegte. Dennoch machten ihm vermehrt Verletzungen zu schaffen. „In der Zeit habe ich gemerkt, dass mein Körper offenbar keine Lust auf Profifußball hat.“ Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis: Kettemann kehrte mit nur 24 Jahren dem höherklassigen Fußball den Rücken und beendete seine Profikarriere frühzeitig. „Ich hätte natürlich auch noch ein paar Jahre spielen können, aber ich wollte in jedem Fall vermeiden, dass ich später gar keinen Sport mehr machen kann. Denn ich habe fest vor, mit 50 oder 60 zum Beispiel noch auf dem Tennisplatz zu stehen.“ Hinzu kam, dass er sein parallel zur Fußballer-Laufbahn begonnenes Lehramtsstudium mit den Fächern Englisch und Sport vorantreiben wollte. „Und dabei fand ich es auch mal ganz reizvoll, ein richtiges Studentenleben zu führen.“
Ganz mit dem Kicken aufzuhören war für Kettemann jedoch keine Option und so kam die Anfrage des TSV Ilshofen gerade recht. Der kleine Verein, gerade mal zwölf Kilometer von seinem Geburtsort Crailsheim entfernt, spielte in der Bezirksliga und wollte Kettemann mit nur 24 Jahren zum Spielertrainer machen. „Ich habe mir das zugetraut und hatte Lust darauf, denn ich habe schon früh als Spieler wie ein Trainer gedacht und zum Beispiel immer schon gerne das Computerspiel ,Anstoß‘ gespielt.“ Bei der Fußballmanager-Simulation betreut und managt man eine Fußballmannschaft und kann diese Schritt für Schritt nach oben führen.
Drei Aufstiege mit Ilshofen
In Ilshofen konnte Kettemann genau das tun. Einen Verein mit wenigen Mitteln und kaum vorhandener Infrastruktur Schritt für Schritt nach oben bringen. „Zunächst musste ich erst mal einen anderen Platz suchen, denn auf dem am Vereinsgelände war kein Fußball, wie ich ihn mir vorstelle, möglich.“ Neben einer Turnhalle in einem Nachbarort fand der Selfmade-Trainer eine Fläche, die der TSV für seine Heimspiele und Trainingseinheiten nutzen konnte. Vor seinem ersten Spiel war Kettemann fünf Stunden vorm Anpfiff dort, um den Rasen zu mähen. „Für mich war diese Anfangszeit in Ilshofen Gold wert. Es war wirklich wie bei ,Anstoß‘. Man hat auf der grünen Wiese angefangen.“
Kettemann kümmerte sich um vernünftige Ausrüstung und eine behutsame Erweiterung des Trainerteams, das zu Beginn aus ihm alleine bestand. Innerhalb von drei Jahren sorgte er zudem dafür, dass am Vereinsgelände ein ordentlicher Rasenplatz entstand. Gemeinsam mit dem Fußball-Abteilungsleiter und dem Vorstand säte, mähte und walzte er den Rasen eigenhändig, bis eine Spielfläche nach seinen Vorstellungen entstanden war. Parallel zu den strukturellen Verbesserungen ging es auch sportlich immer weiter voran. Nach zwei Jahren gelang der Aufstieg in die Landesliga, schon das ein Novum für den TSV, weitere zwei Jahre darauf ging es weiter in die Verbandsliga und im Sommer 2018 stieg der TSV Ilshofen sogar in die Oberliga auf. „Am emotionalsten war der erste Aufstieg, am dramatischsten aber sicherlich der letzte, als wir in den Aufstiegsspielen den Freiburger FC mit einem Tor in der Nachspielzeit der Verlängerung besiegt haben“, erinnert sich Kettemann.
Als Aufsteiger gelang Ilshofen dann souverän der Klassenerhalt, aber für den Spielertrainer war bereits vor dem Saisonende klar, dass die Zeit in Ilshofen vorbei war. „Die Jahre beim TSV haben sehr viel Energie gekostet und ich wollte dann einfach auch neuen Input“, so Kettemann. Da traf es sich gut, dass sich sein ehemaliger Verbandssportlehrer Dirk Mack an Kettemann erinnerte und ihn als Co-Trainer zur U23 holen wollte. „Hier erhalte ich eine neue Sichtweise auf den Fußball und kann wahnsinnig viel mitnehmen.“
Trainer-A-Lizenz anvisiert
Das Lehramtsstudium hat er mittlerweile abgebrochen. „Ich habe festgestellt, dass der Lehrerberuf nichts für mich ist. Das würde mich nicht glücklich machen.“ Und genau das ist es, was Kettemann, der für den Job bei der TSG nach Heidelberg gezogen ist und dessen Freundin in Köln lebt, antreibt. „Ich möchte einfach nur glücklich und zufrieden sein.“ Einen Karriereplan verfolgt der 33-Jährige nicht. Demnächst würde der Inhaber der DFB-Elite-Jugend-Lizenz zwar gerne den A-Schein erwerben, doch darüber hinaus möchte er noch nicht planen und sich schon gar keinen Druck machen.
Mit seiner Rolle als Co-Trainer der U23 ist „Kette“ aktuell voll und ganz zufrieden, denn das Spiel an sich liebt der Hohenloher noch genauso wie damals als Jugendspieler des TSV Crailsheim. Diese Liebe ist gleichgeblieben, nur der Blickwinkel hat sich geändert. Vom Spieler zum Mann hinter der Rasenwalze und nun zum Trainer mit Headset.
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