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HISTORIE
14.06.2019

Vor 30 Jahren: Die Mutter aller Niederlagen

Am 14. Juni 1989, vor nunmehr genau 30 Jahren, verlor die TSG Hoffenheim gegen den 1. FC Stebbach mit 2:4 nach Verlängerung. Mit dieser Niederlage im Relegationsspiel war der Abstieg in die A-Klasse besiegelt. Ein schwarzer Tag für die TSG – eigentlich. Einer der Zuschauer im Seewaldstadion von Elsenz war Dietmar Hopp – und er entschied sich, fortan seinen Heimatklub zu unterstützen. SPIELFELD hat sich mit Protagonisten von damals in Elsenz getroffen.

Es ist eine Begegnung mit der eigenen Vergangenheit. Der Blick von Achim Heinlein wandert rüber, zum entfernten Tor, das in den Wald ragt, hier an der Sportanlage Seewald in Elsenz. "Auf das Tor da haben wir in der zweiten Hälfte gespielt." Es wirkt, als würde die Szene nochmals vor dem eigenen Auge ablaufen. Wie der "Podder", Spielertrainer Peter Podkalicki, die Riesenchance hat, 89. Minute – und am Stebbacher Torwart Stoll scheitert. Wenig später ist die TSG Hoffenheim abgestiegen.

Alles ist wieder lebendig, als sich vier Herren an einem regnerischen Mai-Abend in Elsenz treffen. Für SPIELFELD sind sie noch mal zusammengekommen, die Hoffenheimer Brüder Achim und Willi Heinlein, TSG-Präsident Peter Hofmann und der Eppinger Oberbürgermeister Klaus Holaschke. Vier Männer, vier Lebenswege, ein gemeinsamer Moment – vor 30 Jahren. Das Relegationsspiel am 14. Juni 1989, ein Mittwoch. Der 1.FC Stebbach, Zweiter der Kreisliga A, gegen den abstiegsbedrohten Bezirksligisten TSG Hoffenheim. Anpfiff 18.45 Uhr, in Elsenz. "Da war richtig was los. Es war ordentlich warm, ein großartiger Tag", erinnert sich Klaus Holaschke, der damals für den 1. FC Stebbach auflief – und blickt 30 Jahre später um die Anlage. "Hier waren sicher 1000 Leute." 

Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte

Einer der Zuschauer an jenem bedeutungsschweren Tag: Dietmar Hopp. Der heutige TSG-Gesellschafter hatte soeben die erste Hauptversammlung seines just an die Börse gegangenen Unternehmens SAP in Karlsruhe erlebt, auf dem Rückweg ließ es sich der damals 49-Jährige nicht nehmen, seinem Heimatverein beizustehen. "Ich wusste nicht einmal, dass er da war", sagt TSG-Präsident Peter Hofmann heute. Damals war er als Spielleiter für Hoffenheim im Einsatz, ein junger Bursche von 26 Jahren. "Ich kannte Dietmar Hopp ja nur von den Erzählungen am Stammtisch", erinnert sich Hofmann. "Ich habe nur Geschichten über ihn gehört, dass er lange bei der TSG gespielt hatte, von der Dose Leberwurst, die er für jedes Tor bekam." Hofmann sollte sich bald besser erinnern können. Denn dieses Relegationsspiel in Elsenz wurde zum Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte im deutschen Fußball. Für den Verlierer. Für die TSG war es die Mutter aller Niederlagen. Es war der Tag, an dem Dietmar Hopp beschloss, sich bei seinem Heimatklub zu engagieren.

"Ich hatte ja nie das Interesse am Fußball, an der TSG verloren", sagt Dietmar Hopp, der die Partie in Elsenz an der Seite des damaligen TSG-Präsidenten Theo Berberich verfolgte. "Als ich gesehen habe, dass wir jetzt wohl noch eine Klasse tiefer rutschen, habe ich zum Theo gesagt, dass ich mich engagieren will", erzählt Hopp im SPIELFELD-Gespräch. 2:4 nach Verlängerung verlor Hoffenheim an jenem heiteren Juni-Abend in Elsenz. Der Abstieg in die A-Klasse besiegelt. "Das war schon eine Schmach für uns", sagt Willi Heinlein, der heute als Betreuer bei der Hoffenheimer U23 im Einsatz ist. Erinnerungen an das Spiel? "Gelöscht, verdrängt. Zum Glück." Klaus Holaschke dagegen, der damals gemeinsam mit seinem Bruder Rolf für Stebbach auf dem Rasen stand, erinnert sich gut an die Partie. Das Gedächtnis ist immer gnädig mit den Siegern: "Wir führten schnell 2:0, kassierten aber den Ausgleich und standen dann mit dem Rücken zur Wand", erinnert sich Holaschke, der damals im Mittelfeld beherzt zu Werke ging. "Ein giftiger Sechser", wie Willi und Achim Heinlein anerkennend bemerkten.

"Es war einfach ein Riesenereignis"

Und dann kam die Mega-Chance des inzwischen bereits verstorbenen Peter Podkalicki. Schließlich in der Verlängerung zwei Tore für die Stebbacher. "Für uns als kleines Dorf war es eine großartige Sache", so Holaschke, als Oberbürgermeister von Eppingen (seit 2004) ja quasi Hausherr hier im Eppinger Stadtteil Elsenz. "Es war einfach ein Riesenereignis." "Danke, dass ihr uns damals geschlagen habt", sagt Peter Hofmann drei Jahrzehnte später lachend, als er Klaus Holaschke ein unterschriebenes TSG-Trikot aus der Champions-League-Saison überreicht. Quasi eine Art Kompensation. Der 1. FC Stebbach spielt aktuell als SG Stebbach/Richen um den Wiederaufstieg in die A-Klasse. In der Relegation. Mit dabei: die zwei Söhne von Klaus Holaschke.

Es ist eine amüsante Fußnote, 30 Jahre danach. Viele Geschichten, Namen und Erinnerungsfetzen füllen den Klubraum des FV Elsenz. Mit jeder Minute des Beisammenseins wachsen die Erinnerungen. Es ist wie eine Zeitreise zurück ins Jahr 1989, in die Zeit, als Achim Heinlein bei der Bundeswehr um Urlaub bat und mit einem Kniff den drohenden Leistungsmarsch abwenden konnte ("Ich konnte in den 'Knobelbechern' nie laufen und hatte anschließend immer die Füße wund"), Klaus Holaschke, der mehr als 120 Kilometer von seiner Arbeitsstätte im Schwäbischen herbeigefahren kam und Willi Heinlein Abend für Abend für dieses Spiel privat trainierte. 

Die TSG Hoffenheim hatte die gesamte Spielzeit 1988/89 gegen den Abstieg gekämpft – viele Spiele unglücklich verloren, selten die Ergebnisse eingefahren, die nach dem Spielverlauf möglich gewesen wären. "Eigentlich war es wie in dieser Saison", lacht Willi Heinlein. Nur viele Spielklassen tiefer. Unversucht aber ließen die TSG-Verantwortlichen schon damals wenig. Bereits in der Winter-Vorbereitung war die Trainer-Legende Emil Kühnle verpflichtet worden, um die Mannschaft aufzubauen. Für das Relegationsspiel dann hatte Peter Hofmann eigens einen Masseur organisiert, das Team wurde schon am Mittag beim TSG-Klubhaus am Großen Wald versammelt – es gab Kaffee und Kuchen, nach der Mannschaftssitzung gab es einen Waldspaziergang. "So viel Aufmerksamkeit hat der Truppe nicht gutgetan", scherzt Peter Hofmann. Es wurde ein Tiefpunkt in der TSG-Klubgeschichte – und zugleich Ausgangspunkt zum Aufstieg. Denn nur einen Tag nach der Schmach von Elsenz klingelte beim damaligen TSG-Präsidenten Theo Berberich tatsächlich wie versprochen das Telefon – am anderen Ende der Leitung: Dietmar Hopp. Er bestellte Berberich, den damaligen Fußball-Abteilungsleiter Siegbert Hoffmann sowie den jungen Spielleiter Peter Hofmann zu sich in sein SAP-Büro in Walldorf. Treffpunkt, Sonntag, 10 Uhr. 

"Wie ein Sechser im Lotto"

"Ich hatte schweißnasse Hände“, erinnert sich Peter Hofmann heute. "Und als er mir jungem Kerl dann das 'Du' anbot, wurde es noch schlimmer." Dietmar Hopp offerierte dem Klub seine Hilfe. Es ging nicht darum, das große Rad zu drehen, erst recht nicht um Profifußball. Ein Konkurrent des damals übergroßen SV Sandhausen zu werden, war im Juni 1989 noch ein ferner Wunschtraum. Dietmar Hopp sponserte Bälle, Trainingsanzüge, Ausrüstung, kleine Dinge der Infrastruktur. "Mir ging es immer vornehmlich um die Jugend", sagt Hopp. "Wir hatten damals bei der TSG im Nachwuchs fast nur Spielgemeinschaften. Das wollte ich unbedingt ändern." Die Hoffenheimer Klubverantwortlichen waren dankbar, nur bei einer Bedingung dürften sie kurz geschluckt haben: "Wir mussten ihm versprechen, dass wir auch wirklich jede Wurst versteuern", erzählt Peter Hofmann.

Sie taten es. Zwei Jahre später stieg die TSG wieder auf. Und dann trat eines Abends Erwin Rupp, die Sandhäuser Spielerlegende, in die Hoffenheimer Spielerkabine. Da wusste jeder: Jetzt wird es ernst. Der Rest ist Geschichte. "Und heute kriege ich jeden Tag Gänsehaut, wenn ich über die A6 fahre und die Arena sehe", sagt Willi Heinlein. „Bundesliga hier in Hoffenheim, mit unserer TSG. Das ist unvorstellbar, wie ein Sechser in Lotto.“ Und er war bei der Ziehung, an jenem 14. Juni 1989 in Elsenz, dabei.

 

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