Luka Đurić: Der waschechte Hoffenheimer
Aus dem kleinen Jungen, der gemeinsam mit Niklas Süle das Deckblatt der Akademie-Broschüre 2011 zierte, ist ein erwachsener Mann geworden. Luka Đurić, damals Talent des TSG-Kinderperspektivteams, gehört heute zum Stammpersonal der U23 und ist in vielerlei Hinsicht ein waschechter TSG-ler. Erstens: Der gebürtige Sinsheimer ist in Hoffenheim, einen Steinwurf vom Leistungszentrum an der Sinsheimer Straße, aufgewachsen. Zweitens: Er ist seit 2008 dabei, so lange wie kein anderer aktiver Spieler, und hat nie für einen anderen Verein gespielt. Und drittens: Schon sein Vater Nebojša („Nesho“) hat für die TSG die Stiefel geschnürt. Mehr TSG geht kaum.
Bereits im zarten Alter von vier Jahren kickte Đurić, dessen Eltern aus Bosnien und Herzegowina stammen und Mitte der 1990er Jahre vor dem Bürgerkrieg fliehen mussten, auf dem Schulsportplatz am Großen Wald im TSG-Trikot. 2014 gelang ihm der Sprung in die U12 – und somit ganz offiziell in die TSG-Akademie, in der er seitdem alle Mannschaften durchlaufen hat. „Ich habe die Übernahme in die nächsthöhere Altersklasse nie als selbstverständlich angesehen und mich jedes Jahr gefreut, wenn es geklappt hat“, sagt der Mittelfeldspieler rückblickend.
In der U15 unter Trainer Wolfgang Heller erlebte Đurić seine sportlich erfolgreichste Saison, als der 2003er Jahrgang 75 von 78 möglichen Punkten holte, Süddeutscher Meister wurde und den Badischen Pokal gewann. Mit dabei waren auch seine heutigen U23-Teamkollegen Noah König, Tim Böff, Valentin Lässig und Nick Breitenbücher.
Lange Pausen durch Lockdowns und Verletzungen
Wie Nesho, der einst Profi in der zweiten jugoslawischen Liga war, fiel Luka schon früh durch seine Ballsicherheit und gute Technik auf. „Mein Vater war auf dem Platz lauter, aggressiver und defensiv stärker als ich, ansonsten habe ich viel von ihm übernommen“, bestätigt Đurić. „Er hat mir immer ehrliches Feedback und Tipps gegeben, die mich weitergebracht haben.“ In der U17-Bundesliga – in einem Alter also, wo sich Profi-Träume konkretisieren oder aber auch platzen können – kam Corona. Đurić hatte bis dato alle Partien bestritten und im letzten Spiel vor dem Lockdown, einem 5:2 beim FC Augsburg, einen Dreierpack geschnürt. Es folgten Zwangspause, Isolation und Einzeltraining.
In der Folgesaison wurde es nicht besser. Nach vier Spielen in der U19-Bundesliga war aufgrund des zweiten Lockdowns erneut frühzeitig Schluss, Đurić verpasste deswegen auch sein mögliches Länderspieldebüt für die bosnisch-herzegowinische U19-Nationalmannschaft, in die er im Rahmen eines Tests berufen worden war. Und als es im August 2021 endlich weiterging, setzte eine Schambeinverletzung den Mittelfeldspieler außer Gefecht. Wenn gerade kein Lockdown und Luka nicht verletzt war, hatte er es in dieser Zeit nicht weit zum Training: Sein Elternhaus liegt keine 100 Meter Luftlinie vom Leistungszentrum entfernt, er musste lediglich die B45 überqueren.
Sein Comeback gab er nach fast anderthalbjähriger Pflichtspielpause erst im März 2022, als er im BFV-Pokal-Halbfinale gegen Walldorf auf Anhieb einen Doppelpack schnürte. Die Begegnung endete 2:2 nach Verlängerung, im Elfmeterschießen setzte sich die TSG durch, Đurić traf. In der Bundesliga reichte es dann noch zu zwei Kurzeinsätzen, so dass der Hoffenheimer in zwei A-Jugend-Jahren gerade mal auf sechs Einsätze kam. Dennoch wurde Đurić in die U23 übernommen.
Das Pech blieb ihm auch im Seniorenalter zunächst treu. Aufgrund einer Corona-Erkrankung verpasste er das erste Testspiel und weite Teile der Vorbereitung, dann gesellte sich ein Innenbandanriss hinzu, den er im Training erlitt und der ihn weitere zwei Monate kostete. „Das war schon eine sehr nervige Zeit“, sagt der 20-Jährige, der sich zwar nach und nach zurückkämpfte, während sich aber mit Umut Tohumcu und Mo Damar bärenstarke Konkurrenz auf seiner Position festspielte, so dass es auch im ersten Herrenjahr nur zu wenigen Einsatzminuten reichte. „Wir hatten nunmal auch eine sehr starke Mannschaft, die gefühlt jedes Spiel gewonnen hat. Da war es sehr schwer, ins Team zu rücken.“ Ein Sehnenanriss im März in Steinbach besiegelte dann das vorzeitige Saisonende.
Kind der „jugoslawischen Schule“
Aktuell läuft es endlich besser. Von Blessuren weitgehend verschont, hat sich Đurić in der Rückrunde unter Coach Vincent Wagner regelmäßig für Einsätze empfohlen und es ihm mit drei Treffern gedankt. „Ich fühle mich zurzeit richtig fit, so kann es natürlich weitergehen. Unser offizielles Saisonziel lautet, unter die ersten Fünf zu kommen, aber wir wissen schon, welche Qualitäten wir haben und das mehr möglich ist als Platz fünf.“
Als kleiner Junge fieberte Đurić mit Real Madrid und Cristiano Ronaldo mit, war aber auch großer Fan des Belgiers Eden Hazard oder des spanischen Mittelfeldstrategen Iniesta. „Wie jeder Fußballer habe ich versucht, mir von meinen Vorbildern etwas abzuschauen.“ Dasselbe gilt für Luka Modrić, der zwar Kroate und kein Bosnier, aber eben wie die Familie Đurić ein Kind der „jugoslawischen Schule“ ist. Kroatien ist neben den Heimatorten der Eltern in Bosnien auch das beliebteste Urlaubsziel, wobei es mit der freien Zeit immer knapper wird, schließlich herrschen auch in der U23 Profiverhältnisse.
Außerhalb des Fußballs gelten die Interessen des U23-Spielers dem Tennissport. Wann immer es die Zeit zulässt, jagt er die Filzkugel in Sinsheim und Umgebung übers Netz. „Mein Vater hat mir immer von Novak Đoković vorgeschwärmt“, sagt Đurić. Natürlich, entstammt doch auch der Serbe der alten „Jugo-Schule“. Außerdem verfolgt Đurić die NBA. Lieblingsspieler: Luka Dončić, Slowene. Modrić, Đoković, Dončić – für Ressentiments gegen einstmals durch den Jugoslawienkrieg verfeindete Nachbarstaaten ist bei Luka Đurić kein Platz. „Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, der Krieg ist lange vorbei. Ich habe mich mit der Geschichte auseinandergesetzt, durch meine Eltern ist sie auch ein Teil von mir.“ Im Hause Đurić wird serbokroatisch gesprochen, was Luka zwar versteht, aber nicht fließend spricht.
Schwager Adrian Beck wie ein großer Bruder
Im Juni wird Luka Đurić 21. Mindestens bis dahin gilt seine Konzentration dem Fußball, zumal es momentan gut läuft. „Danach sehen wir weiter, vielleicht beginne ich ein Fernstudium“, sagt der Mittelfeldspieler, der an der Max-Weber-Schule in Sinsheim das Berufskolleg Sport absolviert hat. Er selbst sieht seine Stärken in der Technik, der Spielintelligenz und einem ordentlichen Torabschluss. Schwächen? „Es gibt immer Kleinigkeiten zu verbessern, das Defensivverhalten ist mit Sicherheit noch ausbaufähig.“
Das große Ziel bleibt eine Profi-Karriere. Wenn es mit 21 noch nicht so weit sein sollte, ist das kein Problem. Lukas Schwager hat gezeigt, dass es auch über Umwege funktionieren kann: Adrian Beck, der 2012 als U16-Spieler nach Hoffenheim kam und bereits im ersten Jahr mit Lukas Schwester Sara anbandelte, hat sich von der Oberliga über ein paar Auslandsstationen bis in die Bundesliga hochgearbeitet. Mit 26 Jahren debütierte er für den 1.FC Heidenheim in Deutschlands höchster Spielklasse. „Adrian ist wie ein großer Bruder für mich, wir verstehen uns hervorragend“, bestätigt Đurić. „Er hat einen sehr interessanten Weg hinter sich, der jedem jungen Spieler Mut macht, dass es mit Anfang 20 noch nicht zu spät sein muss.“