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SPIELFELD
09.05.2023

John Anthony Brooks: Der mit dem Ball spricht

Ende Januar wechselte John Anthony Brooks von Benfica Lissabon zur TSG Hoffenheim, um die Defensive zu verstärken. Nach anfänglichen Problemen entwickelte sich der in Berlin geborene und aufgewachsene US-Amerikaner zu einem Stabilisator in der Innenverteidigung. Gewöhnlich meidet der 30-Jährige Interviews, doch für SPIELFELD hat der Abwehrspieler eine Ausnahme gemacht.

Der Mensch John Anthony Brooks unterscheidet sich in vielen Punkten vom Spieler John Anthony Brooks. Auf dem Rasen geht der US-Amerikaner voran, fällt mit seinem Auftreten auf und agiert als lautstarker Dirigent in der Abwehr. Abseits des Platzes schlägt der Abwehrspieler aber lieber leise Töne an. Der 30-Jährige steht nicht gern im Rampenlicht. Social-Media-Kanäle betreibt er nicht und auch Interviews geht er am liebsten aus dem Weg: „Alles, was ich zu besprechen habe, mache ich in der Kabine. Ich muss meine Meinung nicht nach außen tragen und in den Zeitungen lesen.“

Obwohl Brooks lieber durch Leistung mit den Füßen spricht, hat er auch abseits des Rasens viel zu erzählen. Leben und Laufbahn bieten Stoff für viele interessante Kapitel. Doch das Sportliche steht stets im Fokus beim Innenverteidiger, dessen Vater aus Chicago stammt, der aber im Berliner Bezirk Tempelhof seine Kindheit und Jugend verbrachte. Auch der Einstieg bei der TSG war kein alltäglicher, Ende Januar wurde er gegen Mönchengladbach auf Anhieb in die Startelf beordert – obwohl er in dem halben Jahr zuvor bei Benfica Lissabon lediglich auf zwei Minuten Einsatzzeit in der portugiesischen Liga gekommen war. „Ich habe so eine Phase zum ersten Mal in meiner Laufbahn erlebt. Seit ich Profi bin, habe ich – außer bei Verletzungen – eigentlich immer gespielt. Ich habe unterschätzt, wie wichtig es ist, im Rhythmus zu sein“, sagt Brooks. Es dauerte, bis er in Form kam und wieder das Niveau erreichte, mit dem auch er zufrieden war. Bei den Partien gegen Dortmund und in Mainz fand er sich sogar auf der Ersatzbank wieder. „Den Anfang hatte ich mir natürlich anders vorgestellt. Mittlerweile bin ich auf einem Level, auf dem ich mich wohler fühle und in der Lage bin, der Mannschaft zu helfen“, sagt Brooks. Ein lehrreiches Kapitel.

Doch die Formkurve zeigte wieder bergauf. Gegen seinen ehemaligen Verein Hertha BSC leitete Brooks mit seinen Mitspielern die Wende ein. Nicht nur beim 3:1-Erfolg gegen den Klub, bei dem er zum Profi reifte, sondern auch in den Wochen danach überzeugte er als Fels in der Brandung. Unzählige Flanken köpfte er in den vergangenen Wochen aus dem Strafraum und warf sich ohne Rücksicht auf Verluste in die gegnerischen Schüsse. Genau diese Eigenschaften hatten sich die Verantwortlichen von ihm erhofft. Und Brooks lieferte. „Jay ist ein gestandener, zweikampf- und kopfballstarker Verteidiger, der seine Qualitäten in mehr als 200 Bundesligaspielen bereits eindrucksvoll nachgewiesen hat. Er wird mit seiner Erfahrung, seiner Übersicht und seiner Präsenz dazu beitragen, mehr Stabilität in unsere Defensive zu bringen“, sagte Sportdirektor Alexander Rosen bei seiner Vorstellung. Und auch Trainer Pellegrino Matarazzo sieht in Brooks eine wichtige Stütze.

Zudem ist er einer seiner wichtigen Ansprechpartner. Einzelgespräche führen die beiden US-Amerikaner auf Englisch. „Jay ist eine Führungsfigur bei uns. Durch seine Erfahrung und Kommunikation auf dem Platz gibt er uns viel“, sagt Matarazzo. Brooks‘ überragendes Kopfballspiel und seine Kompromisslosigkeit sorgen für deutlich mehr Sicherheit. Zudem setzt der Linksfuß mit seiner Schnelligkeit und Übersicht auch Akzente im Spielaufbau.

Während seiner früheren Stationen bei Hertha BSC und dem VfL Wolfsburg erlebte der Verteidiger den Abstiegskampf zweimal mit – die Erinnerungen variieren jedoch: „Bei Hertha habe ich ihn gar nicht richtig wahrgenommen, weil ich als junger Spieler einfach glücklich war, dass ich spielen durfte. Meine Berliner Zeit verbinde ich größtenteils mit dem Aufstieg in die Bundesliga und den beiden Jahren, als wir europäisch spielten. Und als ich mit Wolfsburg in der Relegation gegen Kiel stand, kam ich gerade nach einer Verletzung zurück und war einfach froh, wieder auf dem Rasen zu stehen.“

Bei der TSG herrschte für ihn eine andere Situation vor, betont Brooks: „Hier wurde ich geholt, um die Defensive zu stabilisieren und jedem war klar, welches Ziel wir verfolgen.“ Dass dieses erreicht wird, ist für Brooks keine Frage. „Diese Saison konnten wir als Mannschaft nicht so agieren wie erhofft. Wir mussten erst anfangen zu akzeptieren, dass wir um den Klassenerhalt kämpfen müssen. Jedoch haben alle den Ernst der Lage verstanden und ich blicke zuversichtlich auf die nächsten Wochen.“

Obwohl er schon zum dritten Mal in seiner Laufbahn Erfahrung mit den Abstiegssorgen macht, ist er eigentlich auf der sportlichen Sonnenseite zu Hause. Schon mit 19 debütierte der gebürtige Berliner für Hertha in der 2. Bundesliga und wurde gleich Stammspieler. Mit 20 wurde er zum ersten Mal für die A-Nationalmannschaft der USA nominiert, mit 21 nahm er im Sommer 2014 an der WM in Brasilien teil – und erlebte dort den bislang größten Moment seiner Karriere, obwohl er davon ausgegangen war, als Talent lediglich den Kader aufzufüllen. „Ich war superstolz, dass ich überhaupt dabei sein durfte.“

Doch im ersten Gruppenspiel gegen Ghana verletzte sich Stammspieler Matt Besler, der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Brooks wurde zum gefeierten Helden: In der 86. Minute erzielte er nach einer Ecke per Kopf den Treffer zum 2:1-Sieg und legte den Grundstein für den späteren Achtelfinaleinzug des Teams von Trainer Jürgen Klinsmann. „Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Eigentlich kann man das gar nicht in Worte fassen. Irgendwie haben die Jungs mit der Flanke meinen Kopf gefunden. Diesen Moment werde ich nie vergessen“, sagt Brooks. Unmittelbar nach seinem Treffer wurde er von seinen Emotionen überwältigt. „Ich wusste danach gar nicht, was ich machen soll. Ich war fassungslos und einfach überglücklich“, erzählt Brooks knapp neun Jahre später mit einem Funkeln in den Augen.

Ein Jahr vor diesem denkwürdigen Tor stand Brooks vor der Entscheidung, für welches Land er zukünftig spielen sollte. Mit einem Vater aus den USA und einer deutschen Mutter konnte er zwischen dem DFB oder dem US-Verband wählen. „Ich habe mich damals sehr für die US-amerikanische Kultur interessiert und wollte sie näher kennenlernen. Ich habe zwar mit meinem Vater immer englisch gesprochen und war auch auf einer englischsprachigen Schule, ansonsten habe ich aber ein deutsches Leben gehabt. Für mich waren die Reisen mit der Nationalmannschaft damals auch die Chance, mehr über den Ursprung meines Vaters zu erfahren“, erklärt Brooks. Die Wahl hat sich ausgezahlt: 45 Länderspiele bestritt er zwischen August 2013 und September 2021.

Dass noch einige dazu kommen könnten, steckt im Hinterkopf des TSG-Abwehrspielers, der in Hoffenheim einen Vertrag bis zum 30. Juni 2024 unterschrieben hat. „Ich denke, wenn ich hier meine Leistung bringe, kann ich immer noch eine Option sein für die Nationalelf. So alt bin ich ja noch nicht“, sagt Brooks und lacht. In drei Jahren, wenn die WM in den USA ausgetragen wird, wäre er 33, aber lieber beschäftigt er sich mit dem Hier und Jetzt. „Wieder regelmäßig in der Bundesliga zu spielen ist traumhaft und macht mich sehr glücklich. Nun geht es erstmal darum, dass wir die TSG in der Liga halten.“

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