Pavel Kaderabek: Tschechische Lokomotive
Es ist die Szene, die ihn bis zu seinem Karriereende immer begleiten wird. 34. Spieltag, es läuft die 73. Spielminute: Die TSG führt 2:1 gegen Borussia Dortmund und braucht noch ein Tor, um sicher erstmals die Champions League zu erreichen. Und dann kommt Pavel Kadeřábek: Als der Volleyschuss des Tschechen im Netz zappelt, bricht ein Jubelsturm aus. Es ist eine Erlösung, ein Treffer für die Ewigkeit.
Wichtige Treffer scheinen Pavel Kadeřábek zu liegen: Einige Monate später trifft der 26-Jährige in der Königsklasse bei Olympique Lyon in der Nachspielzeit zum 2:2. Doch nicht nur wegen dieser Tore: Kadeřábek gehört zu den absoluten Leistungsträgern der TSG, inzwischen gehört er auch zu den dienstältesten Profis in der Mannschaft. Dabei hatte es ja durchaus einige Zeit gedauert, ehe der Knoten nach seinem Wechsel im Sommer 2015 vom tschechischen Rekordmeister Sparta Prag zur TSG platzte. "Wir haben unter Julian Nagelsmann eine große Entwicklung genommen. Spielerisch ist es ein großer Unterschied", sagt der Tscheche.
Das gilt auch für ihn persönlich. In der Saison 2016/17 saß der Rechtsverteidiger noch häufiger auf der Ersatzbank. Und mit dem Tore schießen haperte es noch länger bei Pavel Kadeřábek. Bis ihm der erste Treffer für "Hoffe" gelang, dauerte es fast drei Jahre. Beim 5:2 gegen RB Leipzig am 21. April 2018 war es endlich soweit. "Ich habe davor nicht schlecht gespielt, aber es hat etwas gefehlt", sagt Kadeřábek. Dass es danach besser funktioniert hat, lag auch an den Extraeinheiten, die er eingelegt hat: "Ich habe noch gezielter Flanken und Torabschlüsse trainiert." Der Treffer in Leipzig war sein persönlicher "Dosenöffner". Keinen Monat später erzielte er den wichtigen Treffer gegen Dortmund.
Hohe Anforderungen vom Trainer
Damit trägt der Tscheche auch seinen Teil dazu bei, das ehrgeizige Anforderungsprofil zu erfüllen, das sein eigener Trainer erstellt hat. "Die Außenverteidiger müssen zusammen im Jahr acht Tore schießen. Dann wirst du erfolgreicher sein", befand Julian Nagelsmann. In den ersten 30 Pflichtspielen erzielte Kadeřábek nun schon vier Treffer – und bereitete sechs weitere vor. Zehn Scorer-Punkte sind bereits mehr als in der kompletten Vorsaison.
Insbesondere die taktische Ausrichtung mit einer Dreierkette behagt Kadeřábek, womit das Team offensiver aufgestellt ist, er etwas weiter nach vorne rückt und mehr Platz auf der rechten Außenbahn erhält: "Ich fühle mich in einer Dreierkette besser. Es ist schön, offensiv mehr eingebunden zu sein." Wenn es aber sein muss, rückt er, wie gegen die Bayern nach dem Wechsel oder in Freiburg, auch wieder als rechtes Glied der Viererkette nach hinten. Unaufgeregt, aber nicht unauffällig. Mit viel Dynamik und Dampf nach vorn.
Seit der vergangenen Spielzeit ist Kadeřábek auf der rechten Außenbahn gesetzt: "Ich bin sehr zufrieden mit meiner Entwicklung." In dieser Saison bestritt er in der Champions League alle sechs und in der Bundesliga 19 der ersten 22 Partien. Die tschechische Lokomotive ist im Dauereinsatz. Hinzu kommen vier Länderspiele mit weiteren 339 Minuten – eine Hatz nicht ohne Folgen: "Die Hinrunde war sehr anstrengend. Ich war am Ende schon sehr müde", sagt der Tscheche, der des Klagens grundsätzlich unverdächtig ist.
"Ich muss weiter Gas geben"
Dass in der Rückrunde die Spiele in der Champions League wegfallen, hat aus seiner Sicht auch positive Seiten: "Ohne die europäischen Spiele ist es einfacher, an sich zu arbeiten und zu trainieren. Das ging vorher weniger gut, weil wir alle drei Tage ein Spiel hatten." Auf die bisherige Bilanz blickt er entsprechend mit gemischten Gefühlen: "Wir hatten am Ende der Hinrunde eine gute Serie mit zehn Spielen nacheinander ohne Niederlage. Allerdings waren leider zu viele Remis dabei. Dass es für mich persönlich recht gut gelaufen ist und ich einige Scorerpunkte sammeln konnte, ist schön. Aber ich muss weiter Gas geben."
Ein Grund dafür, dass es für ihn so gut läuft, ist auch seine Familie. Gemeinsam mit seiner Frau Tereza und Tochter Emma lebt der TSG-Profi, der seine Vertragslaufzeit erst im Herbst bis zum Jahre 2023 ausdehnte, in Sinsheim und fühlt sich sehr wohl: "Die Familie ist immer wichtiger als Fußball. Wenn sich meine Frau oder meine Tochter nicht wohlfühlen würden, wäre ich wohl nicht mehr hier. Aber wir sind froh, dass wir hier sind."
Mit seinen Leistungen hat Kadeřábek seinen Anteil daran, dass die TSG in den vergangenen beiden Jahren international gespielt hat. Der 26-Jährige will dazu beitragen, dass "Hoffe" auch in der kommenden Saison wieder in den Europapokal kommt: „Es wird nicht einfach, aber wir glauben an uns, weil wir eine super Mannschaft haben. Wenn wir so spielen wie in der Rückrunde 2018, wenn wir eine gute Serie starten, dann können wir uns in einen Rausch spielen." Vielleicht ist es am Ende erneut Pavel Kadeřábek, der eine Aufholjagd in der Rückrunde krönt und mit einem wichtigen Tor erneut zum Helden wird – wie im Frühling 2018 gegen Borussia Dortmund.