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AKADEMIE
26.06.2018

WM-Serie (13/13): Stefan und die Feurigen

Die 21. Fußball-Weltmeisterschaft zieht uns bis zum 15. Juli in ihren Bann. 32 Nationen kämpfen in Russland um den Titel. Wir fiebern mit, aber nicht nur mit der deutschen Elf. Auf achtzehn99.de präsentieren Spieler, Trainer und Mitarbeiter der TSG Akademie ihr Land. Zum Abschluss unserer WM-Serie geht es heute um ein Land, das – wieder einmal – seinem Ruf als Geheimtipp gerecht geworden ist und bereits im Achtelfinale steht: Kroatien.

Das sagt unser Mann

Die Sache ist ein bisschen kompliziert: Stefan Drljača wurde 1999 in Homburg/Saar geboren, seine Eltern stammen aus verschiedenen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken. Die Mutter wurde in Slavonski Brod, heute Kroatien, geboren, der Vater stammt aus Bosanski Novi. Die kleine Gemeinde gehört zum Teilstaat „Republika Srpska“ (Serbische Republik), der aber zum Staat Bosnien und Herzegowina zählt und nicht mit dem WM-Teilnehmer Republik Serbien zu verwechseln ist. „Ich habe von allem ein bisschen etwas und könnte jede der drei Staatsbürgerschaften beantragen, also die kroatische, die serbische und die bosnische.“ Eine identische Konstellation im Übrigen wie bei Zlatan Ibrahimović, dessen Mutter ebenfalls aus Kroatien stammt, während der Vater ein in der Serbischen Republik geborener Bosnier ist. Im Gegensatz zu dem schwedischen Stürmer ist Drljača jedoch Torwart.

Vor zwei Jahren kam „Drille“ von der SV Elversberg zur U19 der TSG, mit der er in der gerade zu Ende gegangenen Saison im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft stand. Seit vergangener Woche befindet sich der 19-Jährige mit der U23 in der Vorbereitung auf die Saison 2018/19.

Das Heimatland seiner Mutter gefällt Drljača ausgesprochen gut. „Kroatien ist ein wunderschönes Land, das ich jedem nur empfehlen kann“, schwärmt „Drille“ und hebt besonders die Landschaft, das Essen („Ćevapčići“), die „herzliche Gastfreundschaft“ und die Kultur hervor.

Dass er Torhüter werden würde, war nicht unbedingt vorherzusehen. Sein Vater Nenad war schließlich erfolgreicher Innenverteidiger und spielte vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs in der ersten jugoslawischen Liga für Vojvodina Novi Sad (heute Serbien). In einer Zeit, als Roter Stern Belgrad zu den besten Mannschaften Europas zählte. „Mein Vater hat mir stolz viele Videos aus dieser Zeit gezeigt.“ Eine Zeit, die mit dem Bürgerkrieg ihren Glanz verlor. Nenad Drljača flüchtete nach Deutschland und setzte seine Karriere zunächst bei Kickers Offenbach fort. Später lernte er Stefans in Heppenheim lebende, ebenfalls vor dem Krieg geflohene Mutter kennen.

Im Hause Drljača wird ein Mischmasch aus Serbokroatisch und Deutsch gesprochen. „Die meisten Verwandten leben in Kroatien und ich liebe es, ans Meer zu fahren und sie zu besuchen.“ Die Mittelmeerinseln Vir und Rab stehen bei „Drille“ besonders hoch im Kurs. „Klar fiebere ich bei der WM mit Kroatien mit, aber ich freue mich genauso über deutsche und serbische Erfolge.“

Aus dem kroatischen Kader hebt der Torwart natürlich die beiden Superstars Luka Modrić und Ivan Rakitić hervor. „Beide spielen seit Jahren bei spanischen Top-Klubs wie Real und Barça, da muss man nichts weiter hinzufügen.“ Als Rakitić in seiner Schalker Zeit mal mit den „Knappen“ im DFB-Pokal beim FC Homburg spielte, war der neunjährige Stefan im Stadion und buhlte anschließend vergeblich um ein Trikot des Mittelfeldspielers, weil sich das schon jemand anders unter den Nagel gerissen hatte. „Gerald Asamoah hat das mitbekommen und mir zum Trost die Torwarthandschuhe von Ralf Fährmann besorgt, der damals dritter Torwart hinter Neuer und Schober war.“

Für das heutige letzte Gruppenspiel tippt er ein 3:1 für die Vatreni, die „Feurigen“, weil „Island nur hinten stehen wird und die spielerische Klasse der Kroaten im Mittelfeld und Angriff zu groß ist“. Und was traut er der Elf mit dem Schachbrettmuster auf dem Trikot im weiteren Turnierverlauf noch zu? „Das Viertelfinale auf jeden Fall, danach hängt es von Tagesform und Gegner ab. Als Top-Favoriten auf den Titel sehe ich allerdings die Brasilianer, die mit Alisson einen überragenden Torwart haben und mit Marcelo, Firmino, Coutinho, Neymar und Gabriel Jesus über absolute Weltklasse auf dem Feld verfügen.“

Der Weg nach Russland

So bärenstark die Kroaten in ihren ersten beiden WM-Spielen aufgetreten sind, so durchwachsen war ihr Gesamtauftritt in der Qualifikation, in der es unter anderem ein mageres 1:0 gegen den Kosovo und Niederlagen in der Ukraine sowie in der Türkei gab. Erst durch einen 2:0-Sieg am letzten Spieltag schafften sie den Sprung in die Playoffs, wo die „Feurigen“ dann aber mit Griechenland (4:1, 0:0) keine Probleme hatten. Mit gerade mal vier Gegentoren in ihren Gruppenspielen wiesen sie eine starke Defensivbilanz auf, die nur von England und Spanien (je 3) getoppt wurde.

BEKANNTE NAMEN

Es ist schon erstaunlich, wie viele Spieler von internationalem Top-Niveau ein Land produzieren kann, das weniger Einwohner hat als Berlin mit Agglomeration. Allen voran ist hier natürlich aus Hoffenheimer Sicht Andrej Kramarić zu nennen, der im Angriff einen Konkurrenten weniger hat: Trainer Zlatko Dalić schickte den Milan-Stürmer Nikola Kalinić frühzeitig heim, weil dieser sich darüber beschwert hatte, dass ihm Kramarić im ersten Spiel gegen Nigeria vorgezogen wurde.

Aus der Bundesliga bestens bekannt sind die „Ehemaligen“ Mario Mandžukić (Wolfsburg, Bayern), der bereits angesprochene Rakitić oder Ivan Perišić (Dortmund, Wolfsburg) sowie die „Aktuellen“ Ante Rebić (Frankfurt) und Tin Jedvaj (Leverkusen).

Als weitere WM-Fahrer mit großer internationaler Erfahrung gelten Mittelfeldspieler Modrić sowie dessen Real-Teamkollege Mateo Kovačić, die vor wenigen Wochen noch das Champions-League-Finale gegen Liverpool – und ihren Landsmann Dejan Lovren – gewannen. Der behauptete jüngst, dass Modrić nur aufgrund seiner Nationalität noch kein Weltfußballer geworden sei.

WM-Historie

Als eine von nur vier europäischen Nationen – die anderen waren Belgien, Frankreich und Rumänien – nahm Jugoslawien an der ersten WM 1930 in Uruguay teil und erreichte prompt das Halbfinale, wo es allerdings eine 1:6-Klatsche gegen den Ausrichter und späteren Weltmeister setzte. Die Runde der letzten Vier erreichten die Plavi, die Blauen, ein zweites und bis heute letztes Mal 1962 in Chile, als sie im Viertelfinale überraschend die Bundesrepublik Deutschland mit 1:0 bezwangen, dann aber an der Tschechoslowakei scheiterten (1:3).

Die jugoslawische Nationalmannschaft, die sich hauptsächlich aus Serben, Kroaten und Bosniern zusammensetzte, zählte immer zu den Geheimfavoriten, nur für den ganz großen Wurf reichte es eben nie. 1974 scheiterten die „Jugos“ in Deutschland in der Zwischenrunde, kamen also unter die letzten Acht. Auf ihrem Höhepunkt waren die Balkan-Kicker wenige Monate vor dem Zerfall des Vielvölkerstaats, bei der WM 1990 in Italien. Zwar wurde das Team um den (kroatischen) Superstar Robert Prosinečki im Auftaktspiel vom späteren Weltmeister Deutschland 1:4 demontiert, erreichte dann aber das Viertelfinale und scheiterte erst im Elfmeterschießen an Argentinien. Dabei spielte Jugoslawien nach einer Roten Karte ab der 30. Minute in Unterzahl.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs setzten zunächst nur die Kroaten die jugoslawische Fußball-Tradition fort. Nach Aufhebung der internationalen Sperre stellten sie als erste ehemalige Teilrepublik einen WM-Teilnehmer: 1998 in Frankreich sorgte das Team um Prosinečki, Zvonimir Boban, Davor Šuker und Goran Vlaović dann auch gleich für Wirbel, als es das Halbfinale erreichte und auf dem Weg dorthin die deutsche Auswahl im Viertelfinale mit 3:0 entzauberte. Ärgerlich: Im Halbfinale gegen Frankreich im Stade de France führten die Feurigen schon mit 1:0, ehe ausgerechnet Boban mit einem für ihn ungewohnten leichten Ballverlust die 1:2-Niederlage einleitete. Die Treffer für die Franzosen erzielte jeweils Lilian Thuram. Verrückt: Für den Rekordnationalspieler der Équipe Tricolore sind es die beiden einzigen Länderspieltore in 142 Einsätzen!

Seither hat sich Kroatien entweder gar nicht für die WM qualifiziert (2010) oder die Gruppenphase nicht überstanden. Das ändert sich 2018 in Russland. Und im Moment träumen sie in Kroatien nach der Galavorstellung gegen Argentinien von der Wiederholung des Erfolgs von 1998. Mindestens.

Fakten

Verband
HNS | Hrvatski nogometni savez [Kroatischer Fußballverband]

Gründung
1912

Spitzname der Nationalmannschaft
Vatreni („Die Feurigen“)

WM-Teilnahmen
4 | 1998, 2002, 2006, 2014 (als Kroatien)
8 | 1930, 1950, 1954, 1958, 1962, 1974, 1982, 1990 (als Jugoslawien)

Größter WM-Erfolg
Halbfinale 1998 (Dritter Platz)

WM-Duelle gegen Deutschland
1954, Viertelfinale, BR Deutschland – Jugoslawien 2:0
1958, Viertelfinale, BR Deutschland – Jugoslawien 1:0
1990, Gruppenphase, BR Deutschland – Jugoslawien 4:1
1998, Viertelfinale, Deutschland – Kroatien 0:3

Trainer
Zlatko Dalić (seit Oktober 2017)

FIFA-Weltrangliste
20.

Große Klubs
Dinamo Zagreb, Hajduk Split

Aktueller Meister / Pokalsieger
Dinamo Zagreb

Einwohner (Weltrangliste)
4,1 Millionen (128.)

Fläche
56.594 km2 (Verhältnis zu Deutschland 1:6,5)

Termine
Sa., 16.06., 21 Uhr: Kroatien – Nigeria 2:0
Do., 21.06., 20 Uhr: Argentinien – Kroatien 0:3
Di., 26.06., 20 Uhr: Island – Kroatien [Rostow am Don]

Alle Zeiten MESZ.

Weitere Teile der WM-Serie

1 Russland [Nick Breitenbücher]
2 Marokko [Yanis Outman]
3 Island [Lukas Petersson]
4 Serbien [Marjan Petković]
5 Schweden [Filston Mawana]
6 Japan [Patrick Hey]
7 Portugal [Gilson Pereira]
8 Nigeria [Benjamin James]
9 Belgien [Amadou Onana] 
10 Polen [Paul Tolasz]
11 England [Nicolas Wähling]
12 Spanien [Manuel Sanchez]

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