Bariş Atık: Dribbler, Wirbler, Straßenkicker
Es war eine vergleichsweise unbedeutende Partie. Im Spiel um Platz drei des Inselcups traf die Hoffenheimer U19 auf Hajduk Split. Barış Atik drang mit dem Ball am Fuß in den Sechzehner ein und demütigte einen Gegenspieler, indem er sich den Ball mit dem rechten Fuß an den linken schoss, von wo aus er seinem Gegenüber als blitzsauberer Tunnel durch die Beine rollte. Zur perfekten Vollendung fehlte lediglich, dass Atiks darauffolgende Flanke ins Zentrum zum Torerfolg geführt hätte. An solchen Aktionen scheiden sich die Fußball-Feingeister. Die einen schnalzen aufgrund der technischen Fähigkeiten solcher Spieler mit der Zunge und kommen genau wegen Szenen wie dieser ins Stadion. Die anderen stempeln sie als arrogante wie unnötige Demütigung ab. „Ich brauche das für mein Selbstvertrauen“, sagt Atik, der sich gut an diese Situation im Juli 2013 erinnern und ein Lächeln nicht verkneifen kann. Er weiß aber auch, dass der Schuss durchaus mal nach hinten losgehen kann, wenn so etwas mal schief geht. Der Spieler von Hajduk Split reagierte übrigens so: Er reichte Atik zum anerkennenden Abklatschen die Hand.
Als Sohn türkischer Eltern wurde Atik am 9. Januar 1995 als drittes von vier Kindern in Frankenthal geboren. Sein sieben Jahre älterer Bruder Burak nahm den jungen Barış regelmäßig mit, wenn er mit seinen Kumpels auf dem Vierfelderplatz im Stadtteil Mörsch Fußball spielte. „Wir haben von morgens bis abends gezockt, die anderen waren im Schnitt fünf Jahre älter als ich“, erinnert sich Atik. „Ich habe mich immer gegen Ältere durchsetzen müssen – sowohl fußballerisch, als auch verbal.“
Das ist auch der Grund, warum sich der 21-Jährige immer mal wieder mit Gegenspielern und Schiedsrichtern angelegt hat: „Das waren meine Emotionen. Ich musste früher nunmal immer den Mund aufmachen, um mich zu wehren. Privat bin ich gar nicht so“, versichert Atik, aber auf dem Platz kamen eben die alten Zeiten wieder durch. Das sei nun vorbei, sagt der Frankenthaler. „Ich habe mich gebessert.“
Stundenlang Ronaldinhos Tricks geübt
Auf dem Vierfelderplatz, einer wahren Brutstätte von Straßenkickern, wurden zahlreiche Turniere auf hohem Niveau ausgetragen, Barış und Burak Atik spielten bei den „Scorpions“ und verließen nur selten als Verlierer den Platz. Burak war es schließlich auch, der seinen kleinen Bruder bei der VT Frankenthal unterbrachte, wo er aber schon im Bambini-Alter vom SV Waldhof Mannheim abgeworben und sofort in die F-Jugend gesteckt wurde. „Ich habe immer im älteren Jahrgang gespielt“, sagt Atik, der bei den C-Junioren von Ex-Profi Stephan Groß gecoacht und in die Badische Auswahl berufen wurde.
Zu seinen Teamkollegen beim SVW zählten der spätere Hoffenheimer Ömer Yıldırım sowie der heutige Leverkusen-Profi und türkische Nationalspieler Hakan Çalhanoğlu. Letzterer spielte auf derselben Position, so dass sich Atik erstmals auf der Bank wiederfand. Doch Trainer Groß löste das Problem, indem er den gelernten Stürmer Atik als Sechser zusammen mit Çalhanoğlu auflaufen ließ. „Das war gegen den KSC, ich habe gleich getroffen und wir standen fortan immer beide in der Startelf“, so Atik. Sein Vorbild zu dieser Zeit war der Brasilianer Ronaldinho. „Ich habe seine Liebe für die Technik immer bewundert und versucht, ihn zu kopieren.“ Um seine Tricks nachzumachen, hat Atik stundenlang geübt.
In der B-Jugend nahm seine Karriere dann richtig Fahrt auf. Als junger Jahrgang spielte er mit den Mannheimern in der Bundesliga, stieg aber ab. Im ersten Halbjahr in der Oberliga traf er schließlich zwölf Mal in zwölf Spielen und wurde im Winter von Groß ins A-Junioren-Bundesliga-Team hochgezogen. Seine Leistungen – nicht zuletzt beim 2:1-Sieg gegen Hoffenheim – überzeugten die TSG-Verantwortlichen, die den kleinen Wirbler trotz seiner Körpergröße von 1,69 Meter verpflichteten. Im Kraichgau reifte Atik auch zum türkischen Nationalspieler. Gleich im ersten Match für die U18 gegen Portugal traf er ins Schwarze, es folgten weitere Einsätze für die U18 und die U19. Mittlerweile hat Atik aber nur noch einen deutschen Pass.
Deutscher A-Jugend-Meister 2014
Unter U19-Cheftrainer Julian Nagelsmann erlebte Atik in seinem letzten Jahr als Jugendspieler eine fantastische Saison. Mit elf Treffern war er Hoffenheims erfolgreichster Torschütze auf dem Weg zur Süddeutschen Meisterschaft, im Endspiel um die „Deutsche“ gegen Hannover 96 markierte er den 5:0-Endstand. „Das war meine bisher schönste Zeit als Fußballer“, sagt der Galatasaray-Fan, der nahtlos in die U23 übernommen wurde.
Für „Hoffe zwo“ hatte der Dribbler bereits als junger Jahrgang in der A-Jugend debütiert und, na klar, bei seinem Einstand getroffen. „Die U23 ist ein guter Zwischenstopp, um sich an den Herrenbereich zu gewöhnen. Ich habe in den eineinhalb Jahren, die ich zum Team gehöre, körperlich extrem zugelegt“, so Atik, der aber betont: „Die Regionalliga ist nicht dauerhaft mein Ziel. Ich will definitiv in die Bundesliga kommen. Die Qualität dazu habe ich und mit 21 sollte ich es langsam schaffen.“ Eine klare Ansage an die Zukunft. Sein Trainer Marco Wildersinn bestätigt: „Barış ist ein Instinktfußballer, der von seinen Emotionen lebt. Er hat sich sehr gut entwickelt, ist defensiv stärker geworden und ein belebendes Element.“
Für die aktuelle Spielzeit mit der U23 hat sich Atik noch einiges vorgenommen. „Platz acht ist in Ordnung, aber eine Steigerung ist definitiv drin. Wir haben gute Spieler und sollten noch ein paar Plätze nach oben klettern. Persönlich möchte ich gerne noch ein paar Treffer nachlegen, auch wenn ich als Achter weniger torgefährlich bin und mehr den Ballverteiler gebe. Mit meiner Anzahl an Assists bin ich sehr zufrieden.“
Seine freie Zeit verbringt Atik gerne mit der Freundin oder im Kreis der Familie. Auf dem Vierfelderplatz spielt er schon lange nicht mehr. Die „Scorpions“ sind Geschichte. Der Karriereweg von Barış Atik ist aber noch lange nicht zu Ende.
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