Real oder Atlético – Hauptsache, Madrid!
Die Szene in der 36. Minute war sinnbildlich. Luca Erlein hatte gerade an der eigenen Grundlinie einen Zweikampf gewonnen, der zum Torabstoß führte. Der Brüller, den der Abwehrspieler anschließend in den Hoffenheimer Nachthimmel ausstieß, dürfte auch den einen oder anderen Bewohner der angrenzenden Häuser in seinem Wohnzimmer aufgeschreckt haben. Er steht symptomatisch für den Siegeswillen dieser Einheit und ihrer Bereitschaft, das letzte Korn aus sich herauszuholen.
Mit dem 1:0 gegen AJ Auxerre am Mittwochabend setzte sich die TSG gegen den starken französischen Vertreter 3:1 in der Addition durch, zog in die Runde der besten 32 Nachwuchsteams Europas ein – und brachte ihren Cheftrainer, der in diesem Kalenderjahr schon einige Loblieder singen durfte, zum wiederholten Mal ins Schwärmen. „Das ist eine Wahnsinnstruppe, die sich die Teilnahme am Meisterweg selbst erarbeitet hat“, sagte Tobias Nubbemeyer. „Und wie sie hier durchmarschiert ist, spricht für ihre Qualität.“
„Wir glauben an den Prozess“
Für das Tor des Abends sorgte Jamie Wähling, der aus rund 20 Metern nach einem geklärten Eckball einfach mal abzog – und das Spielgerät in den Winkel nagelte. „Ich weiß, dass ich einen guten Schuss habe“, grinste der gefeierte Mittelfeldspieler, der zurzeit allen Grund zur Freude hat. „Dass Jamie den entscheidenden Punch setzt, war vor wenigen Wochen nicht zu erwarten“, so Nubbemeyer. „Aber genau das zeichnet die Jungs aus: Sie glauben an den Prozess, und das macht uns so stark. Einige waren am Anfang der Saison noch nicht so weit, haben aber ihre Hausaufgaben gemacht und sind mit dem Team gewachsen. Heute hatten wir wieder einmal viele ‚beste Spieler‘ auf dem Platz.“
Wähling selbst sprach sogar von der stärksten Saisonleistung. „Wir wussten, dass wir gewinnen werden, und haben sehr erwachsen und mutig gespielt“, sprudelte es aus dem Siegtorschützen heraus. „Es fühlt sich sehr gut an, mit diesem positiven Erlebnis in die Weihnachtspause zu gehen. Wir sind sehr froh und dankbar, Youth League spielen zu dürfen und wollen jetzt so gut wie möglich abschneiden.“
Die obligatorische Frage nach dem Wunschgegner beantwortete Wähling ohne Umschweife mit „Real Madrid, weil es der beste Verein der Welt ist – nach Hoffenheim“. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass die „Königlichen“ noch auf Rang sechs des Champions-League-Wegs vorgerückt waren und somit nicht gegen die TSG gelost werden können. Sein Trainer hatte sich die möglichen Duelle vorher nennen lassen und sagte schließlich: „Atlético Madrid soll gerne zu uns kommen.“ Real oder Atlético, völlig egal, Hauptsache, Madrid! Dann schob Nubbemeyer hinterher: „Wir freuen uns auf jeden, der da kommt.“ In der Verlosung sind neun Teams, alle mit klangvollen Namen, acht mit mindestens einem Europapokal-Sieg im Briefkopf. Welche Teams das sind, steht am Ende des Spielberichts.
„Hoffen auf volles Dietmar-Hopp-Stadion“
Am Mittwochabend hatte Nubbemeyer von den fünf gemeldeten U20-Spielern wieder auf das Trio Hennes Behrens, Diren Dağdeviren und Lars Strobl vertraut, das bereits in Auxerre zum Einsatz gekommen war, weil er auf die defensivere Variante setzte. Die anderen zwei, Paul Hennrich und Florian Micheler, waren im Stadion, im Spielerkreis nach dem Schlusspfiff und, so Nubbemeyer, „stehen weiterhin bei uns auf der Fahne. Natürlich sind auch sie eine Option für das kommende Spiel.“
Vielleicht sind es ja auch mehrere Spiele. Je nachdem, wie lange diese internationale Reise noch dauert. Der nächste Gegner wird am 20. Dezember aus dem Lostopf gezogen, am 11. oder 12. Februar genießt die TSG Hoffenheim auf jeden Fall Heimrecht. „Dann hoffen wir auf noch mehr Zuschauer, ich wünsche mir, einmal im vollen Dietmar-Hopp-Stadion zu spielen“, schwärmte Wähling. Ein volles Dietmar-Hopp-Stadion gab es letztmals vor fünfeinhalb Jahren. Gegen Real Madrid. Als die TSG ins Youth-League-Halbfinale stürmte.