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MÄNNER
04.06.2024

„Wir haben immer an uns geglaubt“

Knapp 300 Pflichtspiele, 132 Tore und seit achteinhalb Jahren im Klub: Andrej Kramarić hat sich längst zu einer spielenden Legende der TSG Hoffenheim entwickelt. Zum vierten Mal wird der Kroate in der nächsten Saison mit der TSG im Europapokal spielen. Trotz des erfolgreichen Abschlusses der Spielzeit spricht der ehrgeizige Offensivspieler im großen Interview der am Freitag erscheinenden Ausgabe des TSG-Magazins SPIELFELD einige Punkte kritisch an, wagt einen Blick auf die Zeit nach der aktiven Karriere und blickt auf die Europameisterschaft in Deutschland. Hier gibt es das SPIELFELD-Interview vorab. Weitere Highlights des Magazins sind Stories über Newcomer Max Moerstedt, die U19-Doublesieger und Rekord-Spielerin Nicole Billa, die ihr letztes Spiel für die TSG bestritten hat.

Andrej, die TSG hat sich zum vierten Mal für den Europapokal qualifiziert. Wie groß ist die Erleichterung?

„Für uns ist das ein großer Erfolg. Am Anfang der Saison war es unser Ziel und wir haben es erreicht, auch wenn es zwischenzeitlich nicht mehr danach aussah. Die Stimmung war nach den Niederlagen nicht so gut, aber wir haben es geschafft und können das feiern. Es ist eine tolle Belohnung für unseren Aufwand. Nach vier Jahren spielen wir endlich wieder international.“

Am letzten Spieltag habt Ihr 4:2 gegen den FC Bayern München gewonnen und die Teilnahme am internationalen Geschäft aus eigener Kraft gesichert. Was war das für ein Gefühl?

„Es waren sehr viele Emotionen. Wir hatten die Erinnerung daran, in welcher Situation wir im vergangenen Jahr waren, als es gegen den Abstieg ging. Wir haben im Schlussspurt super Spiele gemacht und es am Ende geschafft. Wir haben immer an uns geglaubt. Gegen Bayern München nach 0:2-Rückstand noch 4:2 zu gewinnen, ist Wahnsinn. Dazu ein Hattrick und ein Assist von mir, ich weiß nicht, wann das mal gelungen ist.“

Wie bewertest Du Deine eigenen Leistungen in dieser Saison? Im Schlussspurt hast Du mit zwölf Scorer-Punkten einen erheblichen Anteil am Erfolg gehabt …

„Ich bin sehr zufrieden und froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte, unser Ziel Europa zu verwirklichen. Vor allem in den letzten Spielen lief es natürlich sehr gut. Die Partie gegen die Bayern war der Wahnsinn. Ich habe diese Saison fast ausschließlich im Mittelfeld gespielt. Kaum ein Mittelfeldspieler sammelt so viele Scorer-Punkte, das freut mich natürlich. Aber es geht nicht um mich, das Team steht im Fokus.“

Was bedeuten Dir Europapokal-Abende?

„Das ist ein besonderes Gefühl. Unter der Woche, Flutlicht. Auswärtsspiele in ganz Europa. Was will man mehr? Genau dafür spielen wir Fußball und geben in jedem Training und in jedem Spiel alles. Das wollen wir genießen und mit ein wenig Glück vielleicht auch eine Runde weiterkommen. Wir wollen uns mit den besten im Wettbewerb messen.“

Es gab eine Phase in der Saison, in der Du nicht immer in der Startelf standest. Wie bist Du damit umgegangen?

„Ich bin Fußballer und will immer spielen, natürlich fand ich die Entscheidung nicht schön und kann es als ehrgeiziger Spieler auch nur bedingt nachvollziehen. Aber ich bin Profi genug, um es einordnen zu können und habe den Kopf nicht hängen lassen. Am Ende des Tages geht es nicht um den Trainer oder mich, – sondern um den Klub. Ich liebe diesen Sport und will jeden Tag meine beste Leistung zeigen. Egal, ob von der Bank oder in der Startelf.“

Es gab in dieser Saison – wie auch in den Jahren zuvor – sehr viele Leistungsschwankungen. Wie erklärst Du Dir dieses ständige Auf und Ab bei der TSG?

„Der einfache Weg wäre zu sagen, dass wir in der Bundesliga spielen. Wenn man die besten fünf Teams in dieser Saison weglässt, ist fast jede Partie ein 50:50-Spiel. Nicht nur wir, auch viele andere Teams hatten diese Wellen. Dennoch darf es natürlich nicht sein, dass wir solche Durststrecken erleben, auch wenn wir am Ende Glück gehabt haben, dass wir uns für Europa qualifiziert haben. Wenn wir das große Ganze betrachten, ist es unsere Aufgabe, dass wir diese Leistungsschwankungen abstellen oder zumindest verringern.“

Wie kann die TSG das Problem in der Zukunft angehen?

„Wir sind alle unterschiedlich, alles Individuen. Jeder hat für sich herausgefunden, was er braucht, um seine beste Leistung abzurufen. Manche brauchen mehr Training, manche weniger. Da gibt es keine einheitliche Lösung. Ich bin Spieler und kann nicht alles bestimmen, das machen die Trainer.“

Bei der TSG wird immer wieder das ruhige Umfeld gelobt, um perfekt arbeiten zu können. Siehst du darin zugleich womöglich auch eine Gefahr, zu früh zufrieden zu sein?

„Es ist Fluch und Segen zugleich. Wir haben hier super Bedingungen, aber manchmal ist es vielleicht auch zu angenehm. Für uns ist der Klub und die Region zu unserem Zuhause geworden, wir sind wie eine Familie. Aber das birgt natürlich auch Gefahren. Manchmal fehlt der Druck. Unter Druck kann man Mentalität und Charakter beweisen, das liebe ich. Daran mangelt es manchmal. Die Außenwahrnehmung können wir nur bedingt ändern, aber vielleicht würde es uns ab und an helfen, wenn wir intern mehr Druck hätten.“

Wie lässt sich das ändern?

„Der Klub muss noch größer werden. Die TSG ist in einer super Position, hat beste Voraussetzungen.  Aber so eine Entwicklung verlangt Zeit. Bis der Klub erwachsen ist, wird es noch Jahre dauern. Aber grundsätzlich gibt es kaum Grenzen.“

Du lebst mit Deinem Ehrgeiz hohe Ambitionen vor, sprichst das auch öffentlich an. Vermisst Du da manchmal Unterstützung?

„Nur weil jemand nach außen nicht die großen Töne von sich gibt, heißt das nicht, dass er ambitionslos ist. Das kann nur jeder über sich selbst sagen. Ich bin sehr ehrgeizig und will immer das Maximale erreichen. Und das vertrete ich dann auch offensiv.“ 

Du kennst den Klub wie kaum ein anderer Spieler, hast mehr als 250 Bundesligaspiele für Hoffenheim absolviert. Hast Du schon realisiert, was Du der TSG bedeutest?

„Wenn es nach mir ginge, kämen nochmal 250 Partien dazu. Es fühlt sich super an, seit achteinhalb Jahren dieses Trikot tragen zu dürfen, aber ich bin noch nicht fertig. Ich muss fit und gesund bleiben, dann ist noch viel möglich. So oder so ist es etwas Besonderes. Die TSG und ich haben eine spezielle Beziehung, die für immer bleiben wird.“

Kannst Du Dir überhaupt noch eine Karriere abseits der TSG vorstellen nach der langen und erfolgreichen Zeit?

„Ich bin jetzt bald 33 Jahre alt. Irgendwann wird meine Zeit hier enden, auch wenn es hoffentlich noch lange dauern wird. Aber auch wenn meine aktive Karriere vorbei ist, heißt das nicht, dass sich unsere Wege trennen. Eines Tages will ich Trainer werden, vielleicht ja sogar bei der TSG. Das wäre eine schöne Geschichte.“

Seit wann hast Du den Gedanken, Trainer zu werden?

„Das ist noch nicht so lange her. Noch vor drei oder vier Jahren hätte ich gesagt, dass ich das auf keinen Fall will. Jetzt ist es aber mein großer Wunsch. Fußball ist mein Leben und ich glaube, dass ich einen guten Blick auf das Spiel und ein gutes Gefühl für Situationen habe. Das kann mir als Trainer helfen.“

Wäre es ein Traum von Dir, als Trainer zur TSG zurückzukommen?

„Auf jeden Fall. Aber ich glaube, dass man vorher etwas anderes gesehen haben muss. Ich bin schon so lange hier, da muss man auch mal seine Komfortzone verlassen. Ich würde gern bei anderen Trainern hospitieren, bevor ich richtig anfange. Natürlich muss ich noch viel lernen, aber ich habe ja auch noch Zeit. Und aktuell denke ich sowieso nur an meine aktive Karriere. Wenn ich sehe, dass ein Luka Modric mit fast 39 Jahren bei Real Madrid große Spiele zeigt, macht mir das Mut.“

Welche Trainer inspirieren Dich?

„Da gibt es einige. Julian Nagelsmann hat mich bei der TSG geprägt, wir haben dreieinhalb Jahre erfolgreich zusammengearbeitet. Er ist nicht umsonst aktueller Nationaltrainer und war davor in Leipzig und in München. Pep Guardiola gehört natürlich auch dazu, er ist einer der besten Trainer der Welt. Aber auch von Carlo Ancelotti zu lernen, stelle ich mir sehr interessant vor. Er hat einen ganz anderen Ansatz als die anderen beiden, ist aber zugleich sehr erfolgreich.“

Bevor es soweit ist, hast Du aber noch ein paar Jahre als aktiver Spieler vor Dir. Im Sommer steht die Europameisterschaft bevor. Wie groß ist die Vorfreude auf das Turnier?

„Es ist immer etwas Besonderes. Vor allem weil die EM in Deutschland ist. Ich kenne hier jedes Stadion und fühle mich sehr wohl. Dazu gibt es total viele Kroaten in Deutschland, unsere Partien werden zu Heimspielen für uns. Wir haben in der Vergangenheit so viele Erfolge gehabt, daran wollen wir anknüpfen.“

Ihr habt mit dem zweiten Platz bei der WM 2018 und dem dritten Rang bei der WM 2022 die größten Erfolge Kroatiens gefeiert. Würdest Du Euer Team als „goldene Generation“ bezeichnen?

„So ganz haben wir das alles vermutlich noch nicht realisiert. Wir spielen einfach weiter Fußball und wollen erfolgreich sein. Leider haben wir noch keinen Titel geholt, aber für ein so kleines Land wie Kroatien sind das unbeschreibliche Erfolge, die noch lange in Erinnerung bleiben werden.“

Ihr habt die vielleicht schwierigste Gruppe erwischt. Wie siehst Du Eure Chancen gegen Italien, Spanien und Albanien?

„Wir wollen weiterkommen. Größere Ziele zu nennen, wäre vermessen. Wir müssen in jedem Spiel Vollgas geben, sonst haben wir keine Chance. Es sind zwei der vergangenen drei Titelträger. Aber ich glaube, dass wir jede Mannschaft schlagen können. Das haben wir in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen.“

Merkst Du, dass Eure Gegner mittlerweile anders gegen Euch spielen als vor den Erfolgen?

„Sie haben viel mehr Respekt vor uns. Dadurch sind die Spiele ganz anders als 2018. Da konnten wir tiefer stehen und auf Konter lauern, jetzt haben wir deutlich häufiger den Ball. Das macht es nicht unbedingt leichter, aber wir können es trotzdem. Und das obwohl wir nicht so viele Stars haben wie Frankreich, Deutschland oder England. Wir wissen, was auf uns zukommt und sind bereit.“

Du hast knapp 100 Länderspiele für Kroatien absolviert. Ist es ein Ziel von Dir, diese Marke zu knacken?

„Ich glaube dafür müssten wir das Finale erreichen, das ist also ein langer Weg. (lacht) Aber natürlich ist es ein besonderes Gefühl, so häufig sein Heimatland auf der größten Bühne vertreten zu dürfen. Ich werde versuchen, die Marke zu knacken und auch nach der EM weiter für Kroatien zu spielen. Im Fußball weiß man nie, aber mein Plan ist es noch lange weiterzumachen.“

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