Unsere Höhepunkte aus 60 Jahren Bundesliga (12): Christoph Erbelding
Mein erstes Spiel
Mein Vater war Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Vor 30 Jahren hoffte er darauf, seine Begeisterung für die „Fohlen“ auf mich übertragen zu können. Ich hatte aber bereits Tendenzen zum FC Bayern entwickelt. Mit meinen sechs Jahren schaute ich zu einem Freund auf, der acht Lenze zählte und bereits ein Poster der Münchener in seinem Zimmer hängen hatte. Schwierige Voraussetzungen für eine Missionierung. Mein Vater probierte es – und dass der Versuch nicht gelang, wundert mich heute noch.
In der Hinrunde der Saison 1993/94 fuhren wir zum Derby ins Müngersdorfer Stadion nach Köln. Mit seinen Arbeitskollegen auf dem Finanzamt pilgerte mein Vater in dieser Zeit Jahr für Jahr zum prestigeträchtigen Duell in die Domstadt. 1993 durfte ich erstmals dabei sein. Rund zehn Gladbach-Fans, verteilt auf mehrere Fahrzeuge, machten sich mit uns aus Rheinhessen auf den Weg, aber auch zwei Köln-Anhänger, wenn ich mich recht entsinne, waren mit dabei. Nach der Ankunft entfesselte der Marsch vom Parkhaus zum Müngersdorfer Stadion eine besondere Magie. Irgendwann lag diese Schüssel vor mir. Eine Arena, für die die Umschreibung „weites Rund“ erfunden wurde, sollte man meinen. Die Flutlichtmasten ragten in den Himmel. Die Treppen zur Tribüne rückten um kurz vor 15 Uhr, wir waren zum Glück zeitig angekommen, näher. In diesen Momenten verfiel ich der Faszination Fußball.
Die Partie war eine klare Angelegenheit zugunsten der Borussia. Wie so oft in jener Zeit, wie mein Vater mir es vor dem Spiel erklärt hatte, wenn Gladbach in Köln spielte. Sicherlich keine neutrale Einschätzung. Statistiken stützten sie aber, ich habe es Jahre später nachgeschaut. Die Gladbacher gewannen mit 4:0. Martin Max traf drei Mal. Dazu zauberte Peter Wynhoff ein überragendes Solo zum 3:0 auf den Rasen. Wirklich seltsam, dass mich all das nicht mehr umstimmen konnte. Die Gladbacher sind mir seitdem zumindest sehr sympathisch.
Meine schönste Bundesliga-Erinnerung
Ich wollte diesen Text schon vor Wochen schreiben. Dass ich ihn immer wieder aufgeschoben habe, liegt an dieser Rubrik. Welche Erinnerung bloß hervorheben, wo es doch so viele gibt, die es verdient hätten, glorifiziert zu werden? Aber da ich mich nun mal entscheiden muss, wähle ich eine Kompromisslösung: Ich verquicke meine Erinnerungen an knisternde Stadion- und gemütliche Wohnzimmeratmosphäre.
In den 1990er Jahren übernahm Sat.1 mit „ran“ die Fußball-Berichterstattung im frei empfangbaren Fernsehen. Für Traditionalisten, die mit der Sportschau sympathisierten, war die auf Unterhaltung getrimmte Aufarbeitung des Privatsenders ein Graus. Für mich sind Kindheitserinnerungen pur damit verbunden. Insbesondere an die (seltenen) Liveübertragungen, die wir zu Hause oft zelebrierten: Gemeinsame Familienabende mit selbstgebackener Pizza meiner Mutter. Freunde kommen zu Besuch, manchmal sogar inklusive Übernachtung. Reinhold Beckmann übernimmt nach den Nachrichten die Anmoderation. Werner Hansch kommentiert. Die Welt war noch in Ordnung.
Somit war es für mich im Jahr 1998 auch etwas Besonderes, erstmals bei einem „live ran“-Spiel im Stadion dabei zu sein. Der FC Bayern gewann gegen Bayer Leverkusen mit 2:1 – mit Blick auf den Kampf um Rang eins ein Sieg ohne Wert, denn der 1. FC Kaiserslautern holte wenige Tage später als Aufsteiger den Titel. Michael Tarnat packte zum 1:0 der Bayern den Freistoßhammer aus und traf aus 35 oder 40 Metern. Den Treffer fand ich mindestens so toll wie den „live ran“-Aufsteller am Spielfeldrand.
Mein Hoffenheim-Moment in der Bundesliga
Ich könnte an dieser Stelle das Wunder von Dortmund im Jahr 2013 an die erste Stelle setzen. Damals arbeitete ich in der Pressestelle der TSG-Profis und war live im Stadion mit dabei. Eine andere Partie, deren Zeuge ich im Jahr 2014 – damals koordinierte ich das Hoffenheimer Stadionmagazin – wurde, genießt in meinem Ranking unter fußballästhetischen Gesichtspunkten allerdings einen höheren Stellenwert:
Kurz vor Weihnachten, heute auf den Tag genau vor neun Jahren, setzte sich die TSG mit 3:2 gegen Eintracht Frankfurt durch. Die Bühne gehörte einem Brasilianer: Roberto Firmino nahm die Hintermannschaft der Hessen auseinander. „Klasse Technik trifft starke Übersicht: Roberto Firmino bereitete ein Tor vor, fädelte mehrere Chancen ein und entschied am Ende das Spiel selbst“, schrieb der Kicker. Alles andere als eine 1,0 für den Mann der Partie wäre frech gewesen. Und vielleicht haben sie beim Liverpool FC unmittelbar nach diesem Spiel die Entscheidung getroffen, die Bemühungen um ihren späteren Champions-League-Sieger zu intensivieren. Es würde mich nicht wundern.
Bisherige Beiträge:
Florian Beil | Manuel Ihrig | Daniel Ocvirk | David Limberger | Terence Träber | Maurice Lange | Sebastian Schmitt | Florian Mereien | Daniela Hack | René Ottinger