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AKADEMIE
12.09.2023

Samuel Soramies: Vom Jungadler zum Vizeweltmeister

Am Donnerstag startet die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) in ihre 30. Spielzeit. Anlass für uns, unser Interview mit dem Nationalspieler und früheren Jungadler Samuel Soramies aus dem Akademie-Guide in ungekürzter Fassung noch einmal auf der Homepage zu veröffentlichen. Der Vizeweltmeister erzählt von seiner Ausbildungszeit, zieht Parallelen zum Fußball, spricht über die Bedeutung von Anpfiff ins Leben und von seiner Zeit in der TSG-Reha. Und natürlich darüber, wie es sich anfühlt, Profi zu sein und ein WM-Finale gespielt zu haben.

Mit acht Jahren stand Samuel Soramies am Scheideweg: Fußball oder Eishockey? Der Sohn des finnischen Radio-Regenbogen- und Adler-Mannheim-Reporters Antti Soramies entschied sich für den Kufensport und durchlebte bei den Mannheimer Jungadlern – ähnlich wie die Fußballer in der TSG-Akademie – eine ganzheitliche Förderung. Am Freitagabend startet der 25-Jährige mit seinem aktuellen Klub Augsburger Panther in Wolfsburg in seine fünfte DEL-Saison.

Samuel, Du hast einige Jahre lang Eishockey in Eppelheim und Fußball beim SV Schriesheim gespielt, ehe Du Dich als Achtjähriger aufgrund der zu hohen Doppelbelastung für eine Sportart entscheiden musstest. Warum Eishockey? 

Die genauen Gründe weiß ich nicht mehr, aber Eishockey hat mir einfach mehr Spaß gemacht. Wahrscheinlich lag es an der Schnelligkeit und der Härte, die mich schon bei meinen ersten Besuchen im Mannheimer Friedrichspark als kleiner Junge fasziniert haben. 

Mit zehn Jahren wurdest Du ein Jungadler. Schildere uns doch bitte mal Deinen damaligen Alltag! 

Ich habe zwar weiter in meinem Elternhaus gelebt, aber die meiste Zeit auf dem Eis, in der Schule und im Internat bei meinen Freunden verbracht. Wir waren die erste Generation, die von einer organisierten schulischen Förderung profitiert hat. Es gab eine Kooperation von Anpfiff ins Leben mit der IGMH (Integrierte Gesamtschule Mannheim-Herzogenried, Anm. d. Red.), so dass wir morgens schon trainieren und um 7 Uhr in der Nebenhalle der SAP Arena auf dem Eis stehen konnten. Anschließend hat uns ein Shuttle-Bus in die Schule gebracht, die ging bis 16 Uhr, anschließend war wieder Training. Zu Hause war ich dann immer sehr spät. 

Du hast trotzdem Dein Abitur geschafft. Wie hast Du das alles unter einen Hut bekommen? 

Uns wurden an freien Tagen und auch während der Auswärtsfahrten Nachhilfelehrer zur Verfügung gestellt. Dadurch, dass wir Jungadler in einer Klasse waren und denselben Stoff hatten, war das organisatorisch auch etwas einfacher. 

Viel Freizeit mit Freunden blieb da nicht… 

Ich war ja mit meinen Jungs zusammen und hatte nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Natürlich musste ich mal Einladungen zu Geburtstagen, auf die ich gerne gegangen wäre, absagen. Aber wer Ziele hat, muss Opfer bringen. Wir haben dafür andere Dinge erlebt, die andere nicht erleben, wie zum Beispiel die Erfahrung, an einer U18- und einer U20-WM teilnehmen zu dürfen. Und in der Sommerpause, wenn acht bis zehn Wochen kein Eis ist, hatten ja auch wir etwas mehr Zeit. Ich bereue jedenfalls nichts und blicke sehr gerne auf meine Jugend zurück. 

Talente gibt es viele, doch nicht alle werden Profis. Wann wusstest Du, dass Du es in die Deutsche Eishockey-Liga schaffst, und was waren Deine Erfolgsfaktoren? 

Definitiv gewusst habe ich es erst, als ich mein erstes Spiel für die Adler Mannheim bestritten habe. Es ist aber auch so, dass ich immer an mich geglaubt und sehr früh herausgefunden habe, was für ein Spielertyp ich bin und woran ich arbeiten muss. Ich habe nie versucht jemand zu sein, der ich nicht bin, und keine Dinge ausprobiert, die für mich keinen Sinn machen. 

Was bist Du denn für ein Spielertyp? 

Ich bin kein Fancy-Spieler, dem es darum geht, möglichst viele Gegner auszuspielen. Ich bin eher der mannschaftsdienliche Arbeitertyp, weshalb ich auch oft in Unterzahl zum Einsatz komme. 

Welche Gemeinsamkeiten gibt es Deiner Meinung nach in der Ausbildung von Eishockey- und Fußballspielern? 

Viel Trainingsaufwand, wenig Zeit. Aber auch sehr viele schöne Momente mit Freunden, die dieselben Interessen haben. 

Welche Fehler hast Du während Deiner Ausbildung gemacht bzw. was würdest Du im Nachhinein anders machen? 

Das ist schwer zu sagen. Ich bin kein Freund davon, im Nachhinein mit dem Finger auf etwas zu zeigen. Ich habe mit Sicherheit Fehler gemacht und bin trotzdem da, wo ich jetzt bin. Fehler sind auch nicht zwingend etwas Schlechtes, man kann ja auch daraus lernen. 

Du hast Dich vor zwei Jahren einer Schulter-OP unterziehen müssen und Dich in der TSG-Reha wieder fitgemacht. Erzähle uns von dieser Zeit! 

Ich wusste, dass die TSG-Reha sehr gut aufgestellt ist und habe auch ganz bewusst dort angerufen, um die zweieinhalb Monate dort zu absolvieren. Jeder, der schonmal in der TSG-Reha war, weiß, dass man hier sehr gut aufgehoben ist, und sie haben mich auch wieder topfit bekommen. Ich bin damals mit Benni Hübner in Kontakt gekommen, der ja mal beim FC Ingolstadt gespielt hat. Ich stand damals beim ERC Ingolstadt unter Vertrag und so sind wir ins Gespräch gekommen. Er wusste sehr viel über Eishockey. 

Deine Mutter ist Deutsche, Dein Vater Finne. Als Du 2022 erstmals in den deutschen WM-Kader nominiert wurdest, fanden die Spiele ausgerechnet in Finnland statt. Ein Jahr später, also vor wenigen Wochen, wurde die WM erneut in Finnland ausgetragen und Du wurdest mit Deutschland überraschend Vize-Weltmeister. Was für ein Drehbuch! 

Überwältigend. Die Nominierung zur WM 2022 kam für mich überraschend und ich bin dem damaligen Bundestrainer Toni Söderholm sehr dankbar, dass er mir das Vertrauen geschenkt hat. In der Heimat meines Vaters zu spielen, war natürlich etwas Besonderes. Meine Großeltern wohnen in der Nähe von Helsinki und sie haben mich live spielen sehen, dazu noch Onkels, Cousins und Cousinen. 

Wie war der Medienrummel? 

Dadurch, dass ich Halb-Finne bin, sehr groß. Ich kannte das in der Form nicht. Bei der WM 2023 war ein TV-Team sogar bei meinen Großeltern zu Hause. Und ich musste Interviews auf Finnisch geben, es hat aber alles gepasst. 

Der Gewinn der Vizeweltmeisterschaft war eine Sensation! Und trotzdem sollst Du nach der Final-Niederlage gegen Kanada eher enttäuscht gewesen sein. Was war da los? 

Vor der WM hätte ich das auch so gesehen. Aber während eines Turniers können sich Erwartungen verschieben. Wir waren in den ersten drei Spielen so gut, dass es mich am Ende nicht mehr überrascht hat. Die Silbermedaille kann uns niemand mehr nehmen und sie fühlt sich gut an, zumal sie für das deutsche Eishockey sehr wichtig ist. Aber wer in einem Finale steht, will es gewinnen. Und wir hätten es gewinnen können. Deswegen habe ich mich geärgert, und das ist meinen Teamkollegen nicht anders ergangen. 

Du stehst aktuell in Augsburg unter Vertrag. Wie sieht Deine Zukunftsplanung aus? Dein Vater ist Anhänger von IFK Helsinki – wäre die finnische Liga auch eine Option? 

Ich habe noch ein Jahr Vertrag in Augsburg und fühle mich sehr wohl. Ich mache mir noch keine Gedanken darüber, was danach kommt. Die finnische Liga ist etwas anders als die DEL, man kann das in etwa mit Bundesliga und Premier League im Fußball vergleichen. Aber wie gesagt: Ich fühle mich in Deutschland wohl und wüsste nicht, warum ich das aufgeben sollte. 

Du wurdest kürzlich von einem Sponsor der Nationalmannschaft zur Tour de France eingeladen. Was hast Du dort erlebt? 

Es waren zwei Sponsorenplätze frei und wir wurden gefragt, wer Interesse hat. Da ich in meiner Freizeit gerne Rad fahre, habe ich zugesagt. Uns wurden Top-Rennräder zur Verfügung gestellt und gemeinsam mit meinem Kumpel Tobi Fohrler sind wir 83 Kilometer der zweiten Etappe von Bilbao nach San Sebastian mitgefahren. Also vor dem Hauptfeld natürlich, aber es war ein schönes Gefühl, über die Ziellinie zu rollen. Die Zuschauer haben auch Soramies und Fohrler zugejubelt – nicht nur Vingegaard und Pogačar. 

Du standst auch mal mit zwei Fußballprofis des FC Augsburg auf dem Eis: Tomáš Koubek und Fredrik Jensen. Wie haben die sich angestellt? 

Sehr gut. Beide haben in der Jugend Eishockey gespielt, sie hatten sogar ihre eigene Ausrüstung dabei. Und sie haben unserem Goalie Markus Keller sogar ein paar Tore eingeschenkt. 

Wie das? 

Markus meinte, sie hätten nicht gewusst, wo sie hinschießen. Er aber auch nicht. 

Könntest Du umgekehrt auch beim Training eines Fußball-Bundesligisten bestehen? 

Nein, keine Chance. Ich wäre ein einfaches Opfer.

Zur Person 

Geburtsdatum: 30. Juni 1998 
Geburtsort: Heidelberg 
Nationalität: GER/FIN 
Vereine: Eppelheim (2004-08), Jungadler Mannheim (2008-17), RB Hockey Juniors (2017-18), Adler Mannheim / Heilbronner Falken (2018-20), ERC Ingolstadt (2020-22), Augsburger Panther (2022-)
Position: Stürmer 
Statistik: 179 DEL-Spiele (18 Tore), 40 Länderspiele für Deutschland (zwei Tore) 
Erfolge: 1 x Silbermedaille WM (2023), 3 x DM Junioren (DNL) 

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