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AKADEMIE
03.04.2023

Kinderriegel, Krämpfe und viele Körner

Der erste Schritt ist gemacht, mehr aber auch nicht. Doch egal, wie das Rückspiel im Halbfinale um die Deutsche B-Junioren-Meisterschaft endet: Das 4:3 der Hoffenheimer U17 gegen den VfL Wolfsburg fügt sich nahtlos ein in die lange Reihe denkwürdiger Akademie-Spiele im Dietmar-Hopp-Stadion– und das aus vielerlei Hinsicht. Eine Nachbetrachtung.

Nach dem punktgenauen Abschlag Ferdinand Geberts in den Laufweg Leonard Krasniqis dauerte es genau vier Sekunden, bis der TSG-Angreifer an der Strafraumgrenze zum Torschuss ansetzte. Gerade noch rechtzeitig, bevor der heraneilende Dennis Celik eingreifen konnte, schob Krasniqi die Kugel an Keeper Benedikt Börner vorbei und platzierte sie direkt neben den linken Pfosten. „Es hat sehr lange gedauert. Leo hatte zu diesem Zeitpunkt schon viele Körner gelassen, weil er körperlich einiges abgerissen hat. Ich habe nur gehofft, dass er jetzt keinen Krampf kriegt“, beschreibt U17-Chefcoach Carsten Kuhn seine Gedanken in der 82. Minute. Krasniqis 4:3 sollte der Siegtreffer einer nervenaufreibenden und außerordentlich attraktiven Partie sein, die auch 8:8 hätte enden können. Wie es nun mal so ist, wenn hochtalentierte, aber unerfahrene Fußballer erstmals vor großer Kulisse aufeinandertreffen. Ein typisches Jugendspiel eben.

Emotionale Momente

Stichwort Krämpfe. Da gab es auf beiden Seiten einige. Doch eine Szene stand sinnbildlich für den Charakter und die große Stärke dieser Hoffenheimer U17: Als bei einer Spielunterbrechung Tebo Gabriel schmerzgeplagt am Boden lag, stand Ayyub Baroudi bei ihm, um die Krämpfe zu lösen. Baroudi war von der Ersatzbank seinem Kollegen zu Hilfe geeilt und kehrte später wieder dorthin zurück. Der Verteidiger blieb ohne Einsatzzeit, zu Saisonbeginn war er noch Kapitän. Keine leichte Situation, und trotzdem stellte sich Baroudi uneigennützig in den Dienst der Mannschaft. Der Team-Erfolg steht über allem. Das bewies auch Marlon Faß. Der Angreifer hatte mit einem Blitz-Doppelpack die frühe 2:0-Führung erzielt. In der dritten Minute der Nachspielzeit, als auch er auf dem Zahnfleisch ging, verhinderte er mit einer Grätsche vor der Haupttribüne einen langen Ball nach vorne und erntete Szenenapplaus.

Mit einem Durchschnittsalter von 16,1 Jahren bot Kuhn eine extrem junge Startelf auf. Drei Spieler gehören dem jungen Jahrgang 2007 an: Kapitän Tiago Poller, der als Ballverteiler brillierte und mit Schmerzen ausgewechselt werden musste, sowie die beiden Innenverteidiger Marcello Maier und Luca Erlein, die von Sky-Kommentator Timo Schmidtchen als „Kinderriegel“ bezeichnet wurden. In der 61. Minute erlebte das Dietmar-Hopp-Stadion einen emotionalen Moment, der auf eindrucksvolle Weise unterstrich, dass Begriffe wie „Zusammenhalt“ und „Familie“ in dieser U17 keine leeren Worthülsen sind. Nachdem Erlein innerhalb weniger Minuten zwei Fehler unterlaufen waren und der zweite zum 3:3 geführt hatte, haderte der 15-jährige Nationalspieler derart heftig mit sich, dass er am liebsten das Spielfeld verlassen hätte. Seine Mitspieler munterten ihn auf, Kuhn rief ihm zu, dass er einfach weitermachen solle und weiterhin sein volles Vertrauen genießt. Das Momentum war eigentlich auf Seiten der Wolfsburger, die gerade ein 0:3 wettgemacht hatten, doch in dieser Sekunde ging ein Ruck durch die gesamte Hoffenheimer Mannschaft. Erlein spielte durch. „Luca ist ein super Spieler, das haben wir ihm 20 Mal und mehr gesagt“, sagte Tiago Poller nach der Partie. „Ich denke, dadurch hat er wieder ins Spiel reingefunden.“ So geht Teambuilding.

Herz auf dem Platz gelassen

Der Spielverlauf war auf eine gewisse Weise ein Spiegelbild der Saison, die voller Höhen war, aber – wenn auch nur wenige – Tiefen hatte. „Wir haben schnell 3:0 geführt, das hat uns aber nicht unbedingt geholfen“, sagte Doppeltorschütze Faß. „Was wir nach dem 3:3 an Mentalität draufgelegt haben, war einfach Wahnsinn, alle haben heute ihr Herz auf dem Platz gelassen.“

Im Vorfeld der Partie hatte Wolfsburgs Trainer Dennis da Silva Félix unmissverständlich klargemacht, dass er die Favoritenrolle bei seinem Team sieht. Zwar wurde es zunächst überrollt, doch dann legten die „Wölfe“ ihre Qualitäten auf den Tisch: Der kräftige Stürmer Alexander Georgiadi brachte per Seitfallzieher seine Farben wieder ins Spiel, der spielintelligente „Zehner“ Bennit Bröger kurbelte die Offensive an und bereitete mit seinem Eckball den 3:2-Anschlusstreffer vor. „Wir haben die Jungs in der Pause erstmal verschnaufen lassen, denn sie waren mental und körperlich platt“, verriet Kuhn später, wie es bei der Halbzeitansprache zuging. „Uns war klar, dass Wolfsburg mit viel Wucht rauskommen und auf den Ausgleich drängen würde, und wir haben die Jungs darauf vorbereitet, jetzt erstmal viel wegverteidigen zu müssen.“ So kam es dann auch, und dass es am Ende bei zwei Pfostentreffern der Niedersachsen noch zum Sieg reichte, bezeichnete Kuhn als „Riesenleistung“. „Es ist uns gelungen, all den Rummel um diese Begegnung in positive Energie umzuwandeln.“

90 intensive Minuten am Ostermontag

Die Feierlichkeiten nach dem Schlusspfiff blieben verhalten. „Ja, die Jungs haben sich gefreut, aber zum großen Jubel fehlte die Kraft. Außerdem waren sie schnell wieder auf das Rückspiel fokussiert, und genau das zeichnet sie aus.“ Für die kommenden zwei Tage hat Kuhn ihnen zur Regenration frei gegeben. „Wir fahren jetzt mit einem sehr guten Gefühl nach Wolfsburg“, gab Poller zu, schob aber gleich hinterher: „Auf dem dünnen Vorsprung können wir uns nicht ausruhen, wir müssen wieder von Anfang an Gas geben und noch einmal so intensive 90 Minuten bestreiten.“

Am Ostermontag um 13:15 Uhr wird der zweite Teil dieses Duells im AOK-Stadion des VfL angepfiffen. Sky überträgt erneut live, Kommentator Schmidtchen schnalzte unmittelbar nach den 90 Minuten im Dietmar-Hopp-Stadion mit der Zunge, weil er ein ähnliches Spektakel wie beim 4:3 erwartet. Alles ist möglich, das hat das Hinspiel am Sonntag mehr als deutlich gemacht.

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