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SPIELFELD
14.02.2023

Umut Tohumcu: Ruhiger Leader

In diesem Winter absolvierte Umut Tohumcu die Vorbereitung mit der Bundesliga-Mannschaft der TSG Hoffenheim. Der Mittelfeldspieler zeigt auf und neben dem Rasen zwei unterschiedliche Gesichter: Auf dem Platz ist der 18-jährige der ehrgeizige Spieler, der in den Jugendteams auch häufiger die Kapitänsbinde trägt und vorangeht, neben dem Platz ist er eher zurückhaltend. Nun möchte er sich im Kader der Profis etablieren.

Umut Tohumcu lächelt, nein, er lacht aus tiefstem Herzen. Der 18-Jährige genießt die Trainingseinheit bei frühlingshaften Temperaturen im portugiesischen Albufeira spürbar, ja für alle sichtbar. Sein Kindheitstraum ist wahr geworden: Er steht im Kader eines Fußball-Bundesligisten. Doch wenn das Training vorbei ist, zeigt der Mittelfeldspieler eine andere Seite. Vom selbstbewussten und ehrgeizigen Tohumcu ist nicht mehr viel zu sehen, stattdessen wirkt der Nachwuchs-Akteur im gern und oft zitierten „Haifischbecken“ Profifußball zurückhaltend, fast schon schüchtern. Die volle Aufmerksamkeit im SPIELFELD-Gespräch kurz darauf erscheint ihm sogar unangenehm. Umut Tohumcu lässt viel lieber Taten sprechen.

Es ist der Ball, der ihn seit der Kindheit begleitet und ihn in seinem Verhalten so verändert. „Mein Vater hat mir damals schon als Baby einen Ball ins Bett gelegt. Wir reden immer über Fußball und gehen auch manchmal zusammen kicken. Dieser Sport ist alles für uns“, sagt Tohumcu. Seit seiner Jugend träumt der gebürtige Offenburger vom Profifußball. Und für diesen Traum hat er einiges aufgegeben. Mit 13 Jahren verließ er das Elternhaus und wechselte ins Internat der TSG Hoffenheim. Und das, obwohl sich der Bruder von vier Geschwistern selbst als ausgewiesenen Familienmenschen bezeichnet: „Ich hatte Zweifel, ob ich es packen werde, weil ich als Kind immer etwas ängstlich und schüchtern war. Nach einem Jahr hatte ich auch etwas Heimweh, aber meine Eltern haben mich super unterstützt und ich bin froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.“

„Es entspricht meiner Persönlichkeit auf dem Platz, dass ich vorangehe.“

Seit seinem Wechsel 2017 hat sich der Mittelfeldspieler zu einem Führungsspieler in den Nachwuchsteams entwickelt. In dieser Saison könnte Tohumcu als 2004er-Jahrgang noch bei den A-Junioren spielen, doch der Mittelfeldspieler war zunächst fest für die U23 eingeplant, ehe er nach der Winterpause zu den Profis hochgezogen wurde. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat ihn gestärkt und auch auf dem Platz lauter werden lassen. „Ich bin nicht mehr so schüchtern wie früher. Und auf dem Rasen fühle ich mich ohnehin einfach wohler“, sagt Tohumcu und bekommt dafür die Anerkennung seiner Trainer. Teilweise führte er „Hoffe zwo“ sogar als Kapitän auf den Rasen. Eine Rolle, die ihm gefällt: „Es entspricht meiner Persönlichkeit auf dem Platz, dass ich vorangehe. Ich trage auch bei der U19-Nationalmannschaft die Kapitänsbinde. Es ehrt mich, dass mir die Trainer vertrauen. Ich bin sehr ehrgeizig und will meine Mitspieler auf dem Rasen unterstützen.“

Bei der zweiten Mannschaft der TSG hat sich Tohumcu nicht nur wegen der Spielführerbinde zu einer Führungsfigur und einem Leistungsträger entwickelt. Im zentralen Mittelfeld zieht der Junioren- Nationalspieler die Fäden und weiß mit zehn Scorerpunkten zu überzeugen – trotz defensiverer Position. Früher agierte er deutlich offensiver, war teilweise sogar Stürmer. „Ich bin Jahr für Jahr defensiver geworden und unter dem damaligen Trainer Marcel Rapp war ich dann bei der U19 auf einmal auf der Doppelsechs gegen den Ball eingeplant. Natürlich vermisse ich es ab und zu, offensiver zu agieren und mehr Tore zu schießen. Aber ich glaube, dass es meine beste Position ist, ich meine Zweikampfstärke einbringen kann und mehr Einfluss aufs Spiel habe“, sagt Tohumcu.

Und seine Leistungen blieben nicht unbemerkt. In diesem Winter absolvierte der Mittelfeldspieler die gesamte Vorbereitung bei den Profis. Es war der Lohn für jahrelange gute Arbeit in der TSG-Akademie. Bereits im vergangenen Sommer hatte er sein Bundesliga-Debüt gefeiert. Am 34. Spieltag der vergangenen Saison sammelte Tohumcu seine ersten Minuten – im Alter von gerade einmal 17 Jahren wurde er in der Partie bei Borussia Mönchengladbach kurz vor Schluss eingewechselt. „Als der Trainer mir gesagt hat, dass ich reinkommen werde, habe ich alles ausgeblendet. Es war auf einmal ganz still und ich wurde ganz nervös. Es hat sich wie eine Stimmungsexplosion angefühlt. Auch wenn wir verloren haben und ich nur wenige Minuten gespielt habe, war es ein unfassbar schöner Moment.“

Sein erstes großes Highlight erlebte Tohumcu schon vor knapp sechs Jahren. Am 10. September 2017 rückte das Talent in den Fokus von Fans und Journalisten, obwohl er noch weit weg war von seinem ersten Profi-Einsatz: Beim 2:0-Sieg gegen den FC Bayern München reagierte der damalige Balljunge namens Tohumcu geistesgegenwärtig und warf die Kugel blitzschnell zu Andrej Kramarić. Der Stürmer führte den Einwurf schnell aus, bereitete damit den Treffer von Mark Uth zum 1:0 vor – und bescherte Umut Tohumcu seine erste Torbeteiligung in der Bundesliga, knapp fünf Jahre vor dem ersten Spiel. „Das war schon unglaublich. Der Ball ist ins Aus gerollt, Andrej kam auf mich zu und wollte meinen Ball haben. Dann ging es ganz schnell und auf einmal ist das Tor gefallen“, beschreibt der heutige Mitspieler des Kroaten die Szene.

Was danach auf Umut Tohumcu, der türkische Wurzeln hat, zukam, überstieg sein Vorstellungsvermögen: „Schon in der Halbzeit kamen Journalisten zu mir, wollten ein Foto machen und meine Kontaktdaten haben. Nach dem Spiel gab es unglaublich viele Artikel über die Szene und auch in der Schule haben mich meine Freunde darauf angesprochen. Das war schon enorm.“

Doch Umut Tohumcu ist viel mehr als nur der Balljunge mit dem kurzen Moment im Rampenlicht. Der talentierte Mittelfeldspieler will sich im Training bei den Profis beweisen und für weitere Aufgaben empfehlen. Es passt zu seiner Art, dass Umut Tohumcu auch nach einer gemeinsamen Vorbereitung den neuen Teamkollegen noch nicht auf die Szene im September 2017 angesprochen hat. „Ich weiß ja nicht, ob sich Andrej überhaupt an die Szene erinnert und noch weiß, dass ich es war“, sagt er zurückhaltend. Doch mittlerweile ist er nicht mehr der Balljunge, der sich einen Assist mit Andrej Kramarić teilt, sondern trainiert und spielt mit dem kroatischen WM-Finalisten von 2018 und WM-Dritten von 2022 zusammen. Die Zeiten haben sich geändert. Und nun hofft Tohumcu, dem TSG-Rekordtorschützen einen Bundesliga-Treffer aufzulegen. Und nicht nur den Ball zuzuwerfen.

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