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AKADEMIE
15.12.2022

Akademie-DNA in Brasilien und in Sarcelles

Barra FC und AAS Sarcelles, das ist südliches Brasilien hier und Pariser Banlieue da, Strand-Fußballer und Plattenbau-Straßenkicker. Oder anders ausgedrückt: 24 Stunden Flugzeit gegenüber drei Stunden Zugfahrt. Doch so weit beide Klubs geografisch auseinanderliegen mögen, zwei Dinge einen sie: Sie verfügen über ein großes Talente-Reservoir und werden in ihrer Ausbildungsarbeit von der TSG-Akademie unterstützt. Aus diesem Grund wurde vor knapp einem Jahr eigens die Abteilung Internationalisierung ins Leben gerufen. Ein Jahresbericht.

Julian Grupp (31), ehemaliger Drittligaspieler des SV Wehen Wiesbaden, stieß im Frühjahr 2022 zum Team der TSG-Akademie und treibt seitdem als Koordinator für Internationale Projekte die Partnerschaften inhaltlich voran. Das bedeutet im Klartext: Freundschaftsspiele ansetzen, Trainer-Workshops organisieren, Talente und Trainer vor Ort entwickeln.

AAS Sarcelles

Im April wurde der Partnerschaftsvertrag zwischen der TSG-Akademie und der AAS Sarcelles von den Präsidenten Kristian Baumgärtner (TSG) und Boubacar Coulibaly (AASS) unterzeichnet, seither nimmt die Zusammenarbeit kontinuierlich Fahrt auf. Fußballlehrer Wolfgang Heller, der seit 2005 für die TSG-Akademie arbeitet, reiste einen Monat später erstmals in den sozialen Brennpunkt vor den Toren von Paris, um eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen. „Einmal pro Monat“, so Grupp, „sind wir zwei bis vier Tage gemeinsam vor Ort, um die Jungs dort zu trainieren, ihnen bei Spielen zuzuschauen und per individueller Videoanalyse ihre Stärken und insbesondere Potenziale aufzuzeigen. Zudem führen wir mit den Trainern viele Gespräche über spieltaktische Elemente und machen Vorschläge, wie sie ihre Infrastruktur verbessern könnten. In Sarcelles werden Wolfgangs Kompetenz und seine direkte Art sehr geschätzt.“

Die Qualität der Übungsleiter und somit auch der Trainingseinheiten wird dadurch kontinuierlich gesteigert. Wie talentiert viele Spieler sind, die in den Straßen der Satellitenstadt aufwachsen, beweisen die Testspielergebnisse vom Juli und September, die in den Altersklassen U11 bis U16 gegen die Altersgenossen aus der Akademie auf Augenhöhe über die Bühne gingen. „Wir wollen den Verein aber nicht nur auf dem Platz, sondern mit seinem sozial schwierigen Umfeld auch im außersportlichen Bereich unterstützen“, sagt Terence Träber, der die Abteilung Internationalisierung seit ihrer Gründung leitet.

Träber begleitete im September eine Delegation des Akademie-Partners Anpfiff ins Leben nach Frankreich, Ende November kam es zu einem Gegenbesuch in Walldorf. „Wir wollen vom Anpfiff-Knowhow profitieren, um unseren Spielern bei der außersportlichen Lebensplanung Hilfestellung zu leisten und ihnen eine Perspektive aufzeigen zu können, falls es mit der Profikarriere nicht klappt“, betont Nabil Chabane, der Generalsekretär der AAS Sarcelles.

Anfang Dezember wurde zwei ehrenamtlich arbeitenden Videoanalysten von U19-Spielanalyst Philip Giesler und U19-Co-Trainer Jens Schuster ein tiefer Einblick in die Spielvor- und -nachbereitung sowie in die individuelle Videoanalyse gewährt. Und mit U17-Athletiktrainer Ludwig Ruf war ein weiterer Experte im Nelson-Mandela-Sportzentrum der AASS zu Gast, um sich einen Überblick zu verschaffen und im Nachgang zusammen mit den französischen Kollegen individuelle Trainingspläne zu erstellen. „Die Sarcelles-Verantwortlichen sind für jede Maßnahme unheimlich dankbar und saugen wissbegierig alles auf“, bestätigt Grupp. „Sie sind sehr stolz darauf, mit uns als einem deutschen Bundesligisten zusammenzuarbeiten.“

Barra FC

Der Spatenstich erfolgte im Frühjahr. Zwischen den beiden Städtchen Itajaí und Balneário Camboriú entsteht derzeit das neue Trainingszentrum des brasilianischen Fünftligisten Barra FC. Mit allem, was dazugehört: Kleines Stadion, Spielerunterkünfte, Mensa, Performance Center. Die Verantwortung im Nachwuchsbereich liegt bei ehemaligen Hoffenheimern: Geschäftsführer Sebastian Bacher arbeitete mehrere Jahre in verschiedenen Funktionen bei der TSG, ebenso Adem Karaca, der als Sportlicher Koordinator die Jugendteams aufbaute und aktuell die U20 trainiert. Beide haben sich im Bundesstaat Santa Catarina perfekt eingelebt. Zum einen, weil viele Deutschstämmige hier leben (im nahegelegenen Blumenau findet das größte Oktoberfest der Welt außerhalb Münchens statt), zum anderen, weil beide mittlerweile hervorragend Portugiesisch sprechen.

„Aufgrund der großen Entfernung sind wir natürlich nicht so häufig vor Ort, aber der Austausch findet im Online-Zeitalter dennoch permanent statt“, sagt Grupp. Die Videoschnitte der Toptalente sind in einem gemeinsamen Portal abgelegt und werden regelmäßig von den TSG-Verantwortlichen gesichtet, schließlich ist ein Ziel dieses Projekts, wie die Sport-Bild im Juni plakativ titelte, neue TSG-Stars zu entwickeln und den nächsten Firmino zu finden. „Daraus machen wir auch gar keinen Hehl“, bestätigt Träber. „Und genau aus diesem Grund hatten wir im März und November auch für jeweils zwei Wochen drei Barra-Toptalente bei uns im Probetraining zu Gast.“

Zwei Hoffenheim-Trainer flogen in 2022 über den Atlantik, um die Barra-Talente persönlich zu trainieren. Im Juni war es U17-Athletikcoach Ludwig Ruf, im Oktober folgte der Individual- und Reha-Trainer Otmar Rösch. „Wir haben von diesen Besuchen unheimlich profitiert, das Knowhow, das unser Staff daraus zieht, hat einen enormen Mehrwert für uns“, sagt Adem Karaca, der mit der vom ehemaligen Profi Renan trainierten U17 sogar die Staatsmeisterschaft von Santa Catarina feiern durfte – ein Riesen-Erfolg für den jungen Verein.

Doch wie für Sarcelles gilt auch für Barra: Neben der sportlichen Ausbildung nach TSG-Vorbild sollen die Jungs auch ganzheitlich geschult werden und einen Plan fürs Leben mitbekommen. „Wir verbinden mit unserer Arbeit die Fußball-Leidenschaft, Kenntnisse und Qualitäten zweier Kulturen – der brasilianischen und deutschen“, erklärt der Ex-Hoffenheimer Bacher, bei dem alle organisatorischen Fäden des Barra FC zusammenlaufen. „Indem wir voneinander und miteinander lernen, erschaffen wir etwas Einzigartiges. Dabei sind wir uns stets der sozialen Verantwortung innerhalb des Leistungssportkontextes bewusst und achten auf ein gesundes, förderndes und forderndes Umfeld.“

Ausblick

„Wir haben alle gemeinsam beide Projekte auf die nächste Stufe gehoben“, freut sich Träber. „Die brasilianischen Talente haben bei ihrem Besuch einen starken Eindruck hinterlassen und in Sarcelles stellen wir große Fortschritte in allen Bereichen fest, was uns AASS-Sportchef Mohamed Coulibaly auch immer wieder bestätigt. In den kommenden Monaten wird es darum gehen, Kontinuität in die angestoßenen Maßnahmen zu bringen und auch die Förderung des Torwarttrainings voranzutreiben. Hierzu sind wir mit TSG-Profi-Torwarttrainer Michael Rechner im Austausch, der bereits sehr gute Ideen skizziert hat, die wir zeitnah umsetzen wollen.“

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