„Das muss ich nochmal mit Fans erleben“
Du bist im Januar 2020 nach dreieinhalb Jahren bei der TSG zum damaligen Tabellenletzten Norwich City gewechselt. Wie kam es zu dem Entschluss?
„Ich habe den Drang verspürt, in meiner Karriere nochmal etwas Neues auszuprobieren und hatte das Gefühl, mal aus Deutschland heraus zu müssen. Ich war in einem guten Alter für diesen Schritt und ohne Frau und Kinder ist man ja auch flexibel. Leider habe ich mir für den Wechsel ins Ausland im Nachhinein durch die Corona-Pandemie nicht die perfekte Zeit ausgesucht, aber es sind spannende Erfahrungen, die ich hier mache. Als ich die Chance bekommen habe, in der Premier League zu spielen, wollte ich sie nutzen. Darum ist es überragend, dass wir den Wiederaufstieg geschafft haben und ich eine zweite Möglichkeit erhalte, dort in vollen Stadien zu spielen.“
Nach Deinem Wechsel hast Du die gewünschten Erfahrungen zunächst machen dürfen, dann waren die Stadien plötzlich leer – auch in der gesamten Aufstiegssaison. Wie hat sich das angefühlt?
„Obwohl wir mit dem Aufstieg einen riesigen Erfolg gefeiert haben, war die Saison recht emotionslos. Ohne Fans war das für mich schon sehr bitter – ich war ja eigentlich nach England gewechselt, um genau das zu erleben. Und die ersten zwei Monate nach meinem Wechsel waren auch überragend. Fußball hier lebt von den Emotionen, den Fans. Es gibt viele alte Stadien, in denen die Menschen nah am Spielfeld sitzen und Dich beim Warmlaufen abklatschen. Das war dann wie weggeblasen, es waren gefühlt nur noch Freundschaftsspiele. Da ist es völlig egal, ob du in der Premier League, der Bundesliga oder der Kreisklasse antrittst. Ich habe in fast allen der Stadien der Top-Klubs gespielt – immer vor leeren Tribünen. Da denkt man sich dann schon: Das darf doch nicht wahr sein. Das muss ich auf jeden Fall nochmal mit Fans erleben.“
In Norwich spielen Talente wie der von Top-Klubs umworbene Max Aarons und erfahrene Spieler wie Du oder der Ex-Schalker Teemu Pukki. Dazu mehrere Deutsche wie Moritz Leitner, Marco Stiepermann und Trainer ist der ehemalige Dortmunder Daniel Farke ...
„Norwich gilt hier als ein besonderer Verein und als der deutsche Klub in England. Und doch war es für mich vor allem am Anfang interessant, selbst mal der Ausländer zu sein. In Deutschland habe ich manchmal bei ausländischen Spielern gedacht: Warum seid ihr immer nur untereinander, macht doch mal was mit den anderen Spielern, es muss doch nicht immer diese Grüppchen-Bildung geben. Jetzt bin ich hier in England und habe festgestellt: Ich mache es genauso und bin auch viel mit den Deutschen unterwegs. Da habe ich aktiv gegen angearbeitet und bin auch ein bisschen offener geworden.“
Wie war es für Dich, allein ins Ausland zu gehen?
„Ich habe früher auch sehr eigenständig gelebt, allerdings war es dann etwas anderes, während der Pandemie weit weg von der Heimat allein zu sein. Ich konnte keine Freunde sehen, nicht nach Deutschland fliegen. Da war ich froh, dass mein Bruder in London lebt und wir uns treffen konnten. Ansonsten waren die Menschen hier sehr ängstlich und es gab kaum zwischenmenschliche Kontakte. Zum Glück ist Norwich eine schöne Stadt mit tollen Stränden in der Nähe. Aber das Wetter ist natürlich bodenlos.“ (lacht)
Während in Deutschland Ausgangssperren verhängt wurden, haben in England Pubs wieder geöffnet und eine geringe Anzahl Fans darf wieder in die Stadien. Wie fühlt sich das an?
„Man spürt eine große Erleichterung, die Lebensfreude kehrt zurück. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ab Juni das Leben wieder einigermaßen normal ist. Wenn die Mehrheit der Menschen geimpft ist, können wir vor der neuen Saison vielleicht noch eine öffentliche Feier nachholen. Denn wenn man schon mal in die Premier League aufsteigt, dann will man das natürlich auch mit den Fans zelebrieren.“