U19 bezwingt Real Madrid in Regenschlacht
Die Aufregung um Real Madrid war groß, im Umfeld. In der TSG Akademie war es ein ganz normaler Mittwoch. Zunächst zumindest. Die Spieler vertrieben sich bis zum Treffpunkt um 16:30 Uhr die Zeit, Rapp ging am frühen Nachmittag ein Stündchen laufen. „Aktivierung“, wie es im modernen Fußballdeutsch heißt.
Für Ordner und Fans, die am 18. Mai 2008 beim Bundesliga-Aufstieg der TSG live dabei waren, wurden bei der Anfahrt zum Dietmar-Hopp-Stadion Erinnerungen wach. Damals war die Spielstätte am Großen Wald letztmals ausverkauft, der Andrang diesmal identisch groß. Nur das Wetter war vor elf Jahren deutlich besser. Wäre die Bewässerungsanlage des Rasens außer Betrieb gewesen – es wäre niemandem aufgefallen. In der Warmmachphase kam der lange früher angekündigte Regen und ergoss sich über den Kraichgau, so dass zum Anpfiff Platzverhältnisse wie bei der WM 1974 herrschten.
Kurz zuvor musste Rapp noch schnell umdisponieren, weil bei Alfons Amade, der für die Startelf vorgesehen war, der Rücken zumachte, so dass Amadou Onana noch in die Anfangsformation rückte. Die Idee, den spielstarken Madrilenen über eigenen Ballbesitz den Zahn zu ziehen, ging sehr gut auf. Mit dem „Fritz-Walter-Wetter“ taten sich die Königlichen zunächst schwerer. Samuel Lengle, gegen Kiew noch gelbgesperrt, schickte Max Geschwill auf der linken Seite, doch dessen Hereingabe für Onana segelte etwas zu hoch durch den Fünfmeterraum (5.).
Blitzstart wie gegen City
Das Stadion war zu diesem Zeitpunkt voll da. Mit einer beeindruckenden Choreografie hatte die Hintertortribüne die A-Junioren empfangen. Auf der ausgerollten Banderole stand die klare Botschaft „Bauer schlägt König – Schachmatt“. Und kurz darauf wurde gejubelt. David Otto legte quer auf Luis Görlich, dessen Seitenwechsel bei Geschwill landete, der wiederum – wie bei seinem 3:3-Lastminute-Ausgleichstreffer in Lyon – den Ball überlegt in die lange rechte Ecke zirkelte (9.). Die Feierlichkeiten auf den Rängen waren gerade beendet, da kam erneut Geschwill über die linke Seite und brachte diesmal die Flanke aller schlechten Platzverhältnisse zum Trotz genau auf Filip Stojilković, der aus drei Metern einköpfte (12.). Ein Blitzstart wie in der Gruppenphase gegen Manchester City, als es dann nach zwischenzeitlichem 2:2 am Ende 5:2 für die TSG stand!
Real schüttelte sich kurz. Dann packte Alberto den Hammer aus und überraschte TSG-Schlussmann Daniel Klein mit einem strammen Linksschuss aus 20 Metern – 2:1 (18.). Die Hoffenheimer ließen sich durch den schnellen Anschlusstreffer keineswegs verunsichern. Der Zustand des Rasens verschlimmerte sich allerdings minütlich, mitunter blieb der Ball im Dribbling einfach liegen, so dass klar war, dass es mit sicherem Kombinationsfußball nichts mehr werden würde.
Die besseren Chancen bis zur Pause hatten die Hausherren. Flanke Geschwill, Kopfballablage Otto, Volleyabnahme Stojilković – leider direkt auf Keeper Diego Altube (32.). Kurz darauf erneut Otto und Stojilković im Zusammenspiel, doch diesmal „klärte“ der nasse Untergrund (35.).
Im zweiten Durchgang wurde es eher schlimmer. Das Geläuf unterband automatisch Konter und öffnete dem Zufall Tür und Tor. Dennoch suchte die Rapp-Elf ihr Heil weiterhin im Ballbesitz, und nach einem Eckball von der rechten Seite verfehlte Kapitän Benjamin Wallquists Kopfball das Tor nur knapp. Im direkten Gegenzug war Klein bei Rodrigues' Schuss aus kurzer Distanz blitzschnell unten (59.). Es blieb unfassbar spannend.
Doppelschlag Linsbichler
Dann stimmten die Zuschauer das „Badn’er Lied“ an. Nicht ohne Grund. Der eingewechselte Tim Linsbichler, der kurz zuvor zur eigenen Verwunderung nicht im Abseits gestanden hatte und so zu einem unverhofften Distanzschuss aufs leere Tor kam, aber leicht verzog, machte es in der 74. Minute besser. Sein Schuss wurde von einem Abwehrbein derart abgefälscht, dass der Ball eine für Altube unberechenbare Flugkurve beschrieb. 3:1 – ein weiteres Kapitel dieser unglaublichen Youth-League-Geschichte war geschrieben!
In der Schlussphase kamen noch ein paar Zeilen hinzu, als erst Pedro Ruiz mit einem Abstauber für kurzzeitige Spannung sorgte (85.). Doch dann setzten die Hoffenheimer in der 90. Minute das I-Tüpfelchen auf diese denkwürdige Begegnung. Otto tankte sich über die linke Seite durch, trotzte dem tiefen Boden und seinem beißenden Gegenspieler und brachte den Ball mit letzter Kraft aufs Tor, wo Linsbichler den Abpraller aus kurzer Distanz über die Linie drückte. 4:2. Verrückt.
"Das Wetter war kein Vorteil für uns. Wir wollen ja auch Fußball spielen", stellte Rapp nach Spielende klar, dass nicht etwa Real mehr unter den widrigen Bedingungen zu leiden hatte als sein Team. "Ein großes Lob an die Zuschauer, die heute für eine würdige Stimmung gesorgt haben." Jetzt geht es Ende April zum Final Four nach Nyon. "Wir freuen uns auf Porto und haben mittlerweile wirklich genügend Selbstvertrauen getankt, um auch in diese Partie mit viel Optimismus zu gehen."
Bauer schlägt König. Schachmatt!
TSG 1899 Hoffenheim – Real Madrid 4:2 (2:1)
Hoffenheim: Klein – Nitzl, Lengle, Wallquist – Görlich, Onana (66. Landwehr), Elmkies, Alberico (90.+3 Bogarde), Geschwill – Stojilković (69. Linsbichler), Otto.
Madrid: Altube – Sergio López, Fran García (81. Gutiérrez), Chust, Blanco, Alberto (76. Park), Moha (60. Pedro Ruiz), Baeza, Rodrigues, César, Pulido.
Tore: 1:0 Geschwill (9.), 2:0 Stojilković (12.), 2:1 Alberto (18.), 3:1 Linsbichler (74.), 3:2 Pedro Ruiz (85.), 4:2 Linsbichler (90.). Zuschauer: 6.350 (ausverkauft). Schiedsrichter: Nikola Dabanović (Montenegro). Karten: Gelb für Geschwill, Elmkies / Rodrigues, Baeza, Blanco, Chust.