Hopp: "Die Arena ist unsere Heimat geworden"
Im Sommer feierte die TSG ihre zehnjährige Bundesliga-Zugehörigkeit. Nun, am 31. Januar 2019, ist es exakt ein Jahrzehnt her, dass der Klub in der Arena in Sinsheim Bundesliga-Fußball spielt. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit?
"Natürlich denke ich an Cottbus, an den 2:0-Sieg, auch wenn man schon erahnen konnte, dass diese Rückrunde nicht so erfolgreich werden würde, vor allem aufgrund der Verletzung von Vedad Ibisevic, der in der Hinrunde legendäre 18 Tore geschossen hatte. Aber natürlich war dieser Tag ein absoluter Meilenstein für den Klub."
Hoffenheim hatte, nach der Übergangsphase in Mannheim, eine neue Heimstätte gefunden.
"Es war ja allen klar, dass wir nicht in Hoffenheim Bundesliga spielen können. Schon die Zweitliga-Saison haben wir ja nur mit einer Ausnahmegenehmigung im Dietmar-Hopp-Stadion spielen dürfen – und das auch nur, weil wir das Baugesuch für die neue Arena schon eingereicht hatten. Aber vielleicht war ich den Herren bei der DFL auch vertrauenswürdig genug. (lacht)"
Es gab, wie allgemein bekannt, zuvor Überlegungen, nach Heidelberg zu gehen und dort an der Autobahn A5 das Stadion zu bauen.
"Ja, die Überlegung war ganz rational, dass es in Sinsheim schwierig werden könnte, alle 14 Tage so ein Stadion zu füllen. Und in Heidelberg waren zunächst ja alle ganz angetan, sogar der Stadtrat hatte zugestimmt, bis dann eben der Grundstücksbesitzer einen Rückzieher gemacht hat."
So kam Sinsheim wieder ins Spiel.
"Der damalige Oberbürgermeister Rolf Geinert fragte TSG-Präsident Peter Hofmann, warum wir das Stadion nicht in Sinsheim im Gewerbegebiet bauen wollen? Es gäbe Flächen und keine Probleme mit dem Wasserschutz! Das war eine neue Situation für mich, weil frühere Anfragen wegen des Wasserschutzes rund um die Elsenz, als aussichtslos bezeichnet wurden. Diese Information kam mir sehr gelegen, denn ich brauchte keinen alternativen Standort in Heidelberg zu suchen. Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, sage ich: Gut, dass es so gekommen ist. Es war die eindeutig beste Möglichkeit."
Empfinden Sie das Stadion als das Zuhause der TSG?
"Die Arena ist unsere Heimat geworden. Es ist in jeder Hinsicht, allein schon verkehrstechnisch, die weit bessere Lösung. Wenn erst mal die Umbauarbeiten an der A6 beendet sind, wird sich die Situation noch weiter verbessern. Und die Arena wird von vielen als 'Schmuckkästchen' bezeichnet, allein schon wegen ihrer Übersichtlichkeit. Ich muss sagen: Ich bin total zufrieden."
"Es gehörte schon Mut dazu"
Es gab schließlich vorher keine Vergleichsmöglichkeit und trotz Ihres Engagements war ja keineswegs abzusehen, was aus der TSG werden würde.
"Es gehörte schon Mut dazu, ins kalte Wasser zu springen. Man darf nicht vergessen: Die ganzen Planungen fingen bereits 2005, 2006 an. Damals konnte ja niemand ahnen, dass wir direkt den Durchmarsch aus der 3. Liga bis ganz nach oben schaffen würden."
Und die Kapazität des Stadions stellt Sie auch heute noch zufrieden?
"Die behördliche Auflage, mit einem Fassungsvermögen von maximal 30.000 Zuschauern zu bauen, war für mich kein Problem, wenngleich viele nach dem Aufstieg in die Bundesliga meinten, man sollte doch ein Fassungsvermögen in Höhe von 40 bis 45.000 anstreben. Die beste Stimmung im Stadion ist immer dann, wenn es ausverkauft ist."
Sind Sie denn mit dem Zuschauerzuspruch zufrieden?
"Er ist besser, als ich es damals erwartet habe. Es ist relativ schnell eine feste Fan-Basis gewachsen und der Faktor Zeit spielt ja für uns. Natürlich dauert es jetzt noch mal zehn Jahre, bis diejenigen, die in den Zeiten des Arena-Baus geboren wurden, im besten Fan-Alter sind. Aber wir waren in dieser Saison im Heimbereich zum Beispiel acht Mal ausverkauft, der Liga-Schnitt liegt bei mehr als 29.000 Besuchern. Das ist doch wunderbar."
Dabei hatte der Klub ja auch viele Jahre mit der überbordenden Erwartungshaltung zu kämpfen nach dem kometenhaften Aufstieg samt Herbstmeisterschaft 2008.
"Ich möchte das halbe Jahr natürlich nicht missen. Es war ein Traum. Aber wenn wir damals mit Platz 8 in die Winterpause gegangen und am Ende Platz 7 belegt hätten, wäre es sicher gesünder gewesen. So kam ja überhaupt erst das ganze Thema "Graue Maus" zustande, weil wir an dieser Hinrunde 2008 gemessen wurden."
"Es bleibt unser Ziel, möglichst oft international zu spielen"
Wir haben jetzt zehn Jahre zurückgeblickt. Aber wo würden Sie die TSG gern in zehn Jahren sehen?
"Das sind schon verdammt lange Zeiträume in meinem Alter (lacht). Aber ja, ich denke, dass es für uns als Klub realistisch ist, im Schnitt unter die ersten Acht zu kommen, ein Top-8-Klub zu sein. Das bedeutet ja nicht, dass es nicht mal Ausreißer geben kann, dass man in einer Saison mal auf Rang 10 oder 12 landet. Natürlich bleibt es unser Ziel, möglichst oft international zu spielen, also unter die ersten Sechs zu kommen."
Erst einmal müssen Sie in den nächsten Wochen und Monaten einen Nachfolger für Julian Nagelsmann finden.
"Julian hat sicher einen ganz großen Anteil am sportlichen Erfolg. Und der nächste Trainer tritt in große Fußstapfen. Aber vielleicht hat der Neue ja die gleiche Schuhgröße (lächelt). Ich bin ziemlich gelassen und überaus optimistisch. Wir wissen, dass ein ambitionierter, erfolgreicher Trainer hier ideale Bedingungen vorfindet. Einen familiären Verein, der alles zu bieten hat, perfekte Bedingungen, innovative Ansätze, Menschen mit kreativen Ideen. Das sind schon starke Argumente. Da bin ich guter Dinge."
Aber der grundsätzliche Weg der TSG Hoffenheim als Ausbildungsverein bleibt unverändert.
"Wer ist in Deutschland denn nicht Ausbildungsverein, außer Bayern München? Wir entwickeln Spieler, erkennen Potenziale, geben Spielern die Möglichkeit, mit uns zu wachsen. Diesen Weg gehen wir unbeirrt weiter. Wir werden immer darauf angewiesen sein, im Mittel der Jahre ein mehr oder weniger großes Transferplus zu machen. Bei allem Überschwang der Freude über die steigenden TV-Einnahmen – die Spieler werden ja bei den Gehältern auch immer teurer. Und wer weiß, wohin sich die Blase noch entwickelt."
Sehen Sie denn die Gefahr eines Crashs? Sie haben schon einmal davor gewarnt.
"Es ist doch ein völliger Wahnsinn, welche Gehälter da teilweise bezahlt werden. Das ist in hohem Maß ungesund und schon lange nicht mehr sozialverträglich. Natürlich wird das ganze System nicht über Nacht kollabieren, aber erste Erosionserscheinungen sind doch schon da. Die Zuschauerzahlen gehen – zum Glück nicht bei uns – im Schnitt langsam, aber sukzessive zurück."
Liegt es an der Übersättigung, an der Einführung immer neuer Wettbewerbe?
"Da müssen wir alle aufpassen. Jetzt kommt bald noch die Europa League 2, die WM wird aufgestockt, dazu noch so ein Wettbewerb wie die Nations League. Immer weiter, immer mehr. Wo soll das Ganze noch hinführen? Das ist schlimm, um nicht zu sagen furchtbar."
"Nicht alles, was machbar ist, ist sinnvoll"
Und wenn Sie im TV alles sehen wollen, brauchen Sie inzwischen drei Abos.
"Das kann nicht die Lösung sein. Na klar, ich hab‘ ja jetzt auch DAZN. Was soll ich denn machen, wenn ich die TSG sehen will? Aber es ist eben nicht mehr gesund. Wir dürfen die Verbindung zu den Fans nicht verlieren. Nicht alles, was machbar ist, ist sinnvoll. Das 'immer größer, immer mehr' führt nicht zum Erfolg."
Die Ablösen steigen ebenso rasant, teilweise in astronomische Höhen. Wie viel darf ein Spieler denn für die TSG Hoffenheim kosten?
"Wir sind kein Verein, der jeden Wahnsinn mitmacht. Aber es wäre populistischer Unfug zu sagen, wir kaufen niemals einen Spieler, der mehr als soundso viel Millionen Euro Ablöse kostet. Es geht um das seriöse Wirtschaften, darum, im Mittel mehr Einnahmen zu generieren als Ausgaben zu haben. Deshalb ist es unsere klare Devise, nur Spieler einzukaufen, die wir nach einer gewissen Zeit mit Gewinn wiederverkaufen können. Deshalb muss die TSG für junge entwicklungsfähige Spieler die Top-Adresse bleiben. Man kann als TSG Hoffenheim bei allem Ehrgeiz eben nicht einfach durchgängig mit hohen Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb kalkulieren."
Gibt es denn überhaupt noch eine Steigerung nach der jüngsten Erfolgsgeschichte, die der Klub gerade schreibt?
"Eine Steigerung wäre es, wenn wir es tatsächlich schaffen würden, uns permanent unter die ersten Sechs zu platzieren."
Und Ihr Wunsch für diese Saison?
"Natürlich wäre es mein Traum, dass wir uns erneut für die Champions League qualifizieren. Ich traue es Trainer und Mannschaft zu."