U19-EM in Georgien mit TSG-Duo
EM-Fakten
Die U19-EM wird seit 1981 mit wenigen Ausnahmen jährlich ausgetragen, aktuell handelt es sich um die 33. Ausgabe. Rekordtitelträger ist Spanien mit acht Siegen, gefolgt von Frankreich (7) und Deutschland (3), das die Erstausgabe gewann, 2008 nachlegte und 2014 in Ungarn mit den beiden Hoffenheimern Kevin Akpoguma und Benjamin Trümner den dritten Titel holte. Hinzu kommt ein Titel der DDR, die 1986 – u.a. mit Matthias Sammer und Dirk Schuster – in Jugoslawien triumphierte.
Frankreich, das sich bei der EM 2016 in Baden-Württemberg im Endspiel in der WIRSOL Rhein-Neckar-Arena (unter anderem mit Monacos aktuellem Shooting-Star Kylian Mbappé) mit 4:0 gegen Italien durchsetzte, wird seinen Titel nicht verteidigen können. Die Équipe Tricolore scheiterte in der Qualifikation trotz Heimvorteils deutlich und belegte in der Gruppe 5 ohne Sieg den letzten Platz.
Modus und Austragungsorte
Gespielt wird in zwei Gruppen à vier Teams. Die beiden Ersten treffen über Kreuz im Halbfinale aufeinander, die Sieger stehen sich am 15. Juli im Endspiel gegenüber.
Das seit 1991 wieder unabhängige Georgien, das von 1921 bis eben 1991 Teil der Sowjetunion war, ist erstmals Austragungsort eines großen Fußball-Turniers. Gespielt wird in vier Stadien, drei in der Hauptstadt Tiflis sowie eines in Gori, der Geburtsstadt Josef Stalins.
Die deutsche Elf wird zwei Gruppenspiele im David-Petriašvili-Stadion (3.000) von Tiflis und eines im Tengiz-Burdjanadze-Stadion (5.000) in Gori bestreiten. Im Micheil-Meschi-Stadion, der 1991 erbauten und mit einem Fassungsvermögen von 27.000 Zuschauern zweitgrößten Arena des Landes, würde sie erst im Halbfinale – und auch im Endspiel – auflaufen. Vor knapp zwei Wochen fand hier noch das Finale der U20-WM im Rugby statt. Neuseeland bezwang England mit 64:17.
Das Hoffenheim-Duo
Robin Hack (18) und Dennis Geiger (19) spielen schon seit der U15 zusammen – sowohl bei der TSG als auch, von der einen oder anderen Verletzungsunterbrechung abgesehen, für die jeweiligen DFB-Nationalteams.
Der gebürtige Pforzheimer Hack stieß als U15-Spieler zur TSG und wurde wie Geiger mit den C-Junioren 2013 Süddeutscher Meister. Als B-Jugendlicher stand er beim Deutschen A-Junioren-Finale 2015 (1:3 gegen Schalke) im Kader, kam aber nicht zum Einsatz. Im Endspiel 2016 (3:5 gegen Dortmund) feierte er neun Monate nach einem Schien- und Wadenbeinbruch sein Comeback.
Geiger, in Mosbach geboren, stieß bereits mit elf Jahren zur TSG und deutete schon frühzeitig sein großes Potenzial an. Auch er wurde 2016 Deutscher A-Junioren-Vizemeister und traf gegen Dortmund zum zwischenzeitlichen 1:1. Anschließend wurde er, obwohl noch A-Jugendlicher, in den Profikader befördert. In seiner Vita steht zudem eine Silbermedaille bei der U17-Europameisterschaft 2015. Die darauffolgende WM in Chile verpasste er aufgrund einer Schambeinentzündung.
Mit sechs (Hack) und neun (Geiger) U19-Länderspielen gehört das TSG-Duo zu den erfahreneren Jungs in Kramers Kader. Aus dem Duo könnte eventuell noch ein Trio werden: Johannes Bender wurde nach der einwöchigen Vorbereitung Ende dieses Monates in Grassau als einer von fünf Spielern gestrichen, steht aber auf Abruf bereit.
Die Qualifikation
Die DFB-U19, die seit Sommer 2016 vom ehemaligen Hoffenheimer U23-Coach Frank Kramer trainiert wird, spazierte mit drei Siegen gegen Gibraltar (5:0), Albanien (3:2) und Irland (4:0) durch die Vorrunde und setzte sich in der Eliterunde, die in und um Frankfurt über die Bühne ging, ebenfalls mit drei Siegen über Zypern (2:1), Serbien (2:0) und die Slowakei (4:0) durch.
Hack und Geiger hatten in der Eliterunde mit starken Leistungen entscheidenden Anteil am Erfolg, Hack war gegen die Slowakei mit einem sehenswerten Solo zum 1:0 ein Treffer Marke „Tor des Monats“ gelungen.
Die Gegner
Gleich zum Auftakt kommt es für die DFB-Elf in der Gruppe B zum Aufeinandertreffen mit dem fußballerischen Erzrivalen Niederlande. Die weiteren Gegner sind Bulgarien und England.
Die Niederlande werden von Maarten Stekelenburg (Jahrgang 1972) trainiert, der nicht mit dem gleichnamigen Keeper des Everton FC (Jahrgang 1982) zu verwechseln ist. Sein Team hat in der Quali nur einen Gegentreffer hinnehmen müssen – beim 2:1-Auftaktsieg gegen Rumänien. Der „Oranje-Riegel“ wird also nicht leicht zu knacken sein. TSG-Profi-Neuzugang Justin Hoogma, der bei einem Quali-Spiel (0:0 gegen Griechenland) zum Einsatz kam, wird nicht dabei sein, da er bereits zur U20-Nationalmannschaft gehört und bei seinem neuen Arbeitgeber in die Saisonvorbereitung startet. Aus demselben Grund fehlen auch die beiden „Stars“ Justin Kluivert, Sohn von Ajax-Legende Patrick, und Matthijs de Ligt, die noch vor wenigen Wochen im Europa-League-Finale standen. In Stekelenburgs Aufgebot befinden sich immerhin zwei Talente, die bereits bei Manchester City unter Vertrag stehen: Javairo Dilrosun und Rodney Kongolo. Den Großteil der Spieler stellen Ajax und PSV (je fünf) ab. Am Dienstag bezwang die Oranje-U19 in einem Testspiel in Katwijk die U23 des belgischen Erstligisten KAA Gent glatt mit 6:0.
Bulgarien ist – zumindest vom Namen her – der klare Außenseiter dieser Gruppe. Aber die Ergebnisse sprechen für das Team von Trainer Angel Stojkov (39), das in der Qualifikation unter anderem Portugal (1:0) und Titelverteidiger Frankreich (2:1) besiegte. 16 von 18 Spielern sind noch in der Heimat aktiv, die beiden „Legionäre“ kicken in Spanien: Mateo Stamatov wird bei Espanyol Barcelona ausgebildet und ist sogar noch Jahrgang 1999, während Georgi Rusev für den FC Elche am Ball ist. Der Mittelfeldspieler gilt als schnell und technisch beschlagen und ist einer von acht Jungs, die schon bei der U17-EM im eigenen Land dabei waren.
Nur die DFB-Elf hat in der Qualifikation mehr Tore (20) geschossen als England (17). Das Team von Coach Keith Downing geht aufgrund seiner körperlichen Robustheit als Favorit in dieses Turnier. In der Eliterunde fegte die Three Lions die chronisch hochgehandelten Spanier mit 3:0 vom Platz und steigerte sich in den vergangenen sechs Monaten kontinuierlich. Allein sechs Spieler kommen aus der Akademie des Chelsea FC, gegen die die Hoffenheimer U19 im April 2:2 gespielt hatte. Der zweifache Torschütze aus jener Partie, Mason Mount, ist in Georgien dabei. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Linksverteidiger Ryan Sessegnon, Jahrgang 2000, der sich schon als Achtjähriger dem Fulham FC anschloss, bei den Londonern ausgebildet wurde und in der vergangenen Spielzeit 25 Punktspiele in der Championship (2. Liga) bestritt. Als er seinen ersten von fünf Saisontreffern erzielte, wurde er mit nur 16 Jahren und acht Monaten jüngster Torschütze in der Geschichte dieser Spielklasse. Zuletzt zeigte Manchester United verstärktes Interesse.
In der Gruppe A kämpfen Georgien, Schweden, die Tschechische Republik und Portugal um den Einzug ins Halbfinale.
Die Termine
Das ist der Fahrplan für Hack, Geiger und Co.:
Montag, 3. Juli, 18 Uhr: Niederlande – Deutschland, Tiflis (David-Petriašvili-Stadion)
Donnerstag, 6. Juli, 18 Uhr: Deutschland – Bulgarien, Gori (Tengiz-Burdjanadze-Stadion)
Sonntag, 9. Juli, 18 Uhr: England – Deutschland, Tiflis (David-Petriašvili-Stadion)
Alle drei Partien werden live auf Eurosport übertragen.
Sollte die DFB-Elf mindestens Gruppenzweiter werden, steht am Mittwoch, 12. Juli, jeweils im Micheil-Meschi-Stadion das Halbfinale an. Das eventuelle Endspiel steigt am Samstag, 15. Juli, an selber Stelle.
Basiswissen Georgien
FUSSBALL
- Seit seiner Unabhängigkeit vom sowjetischen Verband spielt der georgische Fußball international keine Rolle. Die Senioren haben sich noch nie für ein Turnier qualifiziert, die U19 war immerhin zwei Mal und die U17 drei Mal bei einer EM dabei. 2012 in Slowenien gelang der U17 sogar der sensationelle Sprung ins Halbfinale, ehe sie dem späteren Europameister Niederlande mit 0:2 unterlag.
- Auch auf Klub-Ebene ist es um den einstigen Riesen Dinamo Tiflis, der als Träger der unterdrückten georgischen Kultur landesweit verehrt wurde, still geworden. In den 80er Jahren verzeichnete der Verein noch den größten Zuschauerschnitt in ganz Europa und war regelmäßig unter den Top 3 der sowjetischen Liga zu finden. 1981 holte Dinamo sogar den Europapokal der Pokalsieger, als es im Finale in Düsseldorf den von Hans Meyer trainierten FC Carl Zeiss Jena mit 2:1 besiegte.
- Bei der WM 1982 in Spanien standen vier Georgier im Kader. Abwehrspieler Aleksandre Čivadze war sogar Kapitän der Sbornaja. Hinzu kamen seine Teamkollegen von Dinamo Tiflis Tengiz Sulakvelidze, Ramaz Šengelija und Vitalij Daraselija. Der 2:1-Siegtorschütze aus dem Europapokal-Finale gegen Jena starb ein halbes Jahr nach der WM bei einem Autounfall. Georgiens bester Fußballer jener Zeit, David Kipiani, nahm nicht an der WM teil, weil er sich kurz zuvor das Bein gebrochen hatte.
- Zwar entsendet Georgien hin und wieder noch Spieler von internationalem Format in die Welt hinaus, doch die richtig großen Namen wie etwa Kakha Kaladze (u.a. AC Mailand), Šota Arveladze (u.a. Ajax Amsterdam, Glasgow Rangers) oder Levan Kobiašvili (u.a. SC Freiburg, FC Schalke 04) haben ihre Karrieren mittlerweile beendet.
LAND UND LEUTE
- 1783 wurde die lange unter osmanischer und persischer Herrschaft stehende Region im Südkaukasus von Russland einverleibt und „russifiziert“.
- Die nach der Oktoberrevolution 1918 erlangte Unabhängigkeit wurde nur drei Jahre später blutig niedergewalzt und das Land als Georgische Sozialistische Sowjetrepublik (GSSR) der Sowjetunion unterstellt.
- Bis zur erneuten Unabhängigkeit 1991 bewahrten sich die Georgier aber ihre eigene Sprache und Schriftart, die nichts mit dem Kyrillischen zu tun hat. Deutschland schreibt sich auf Georgisch so: გერმანია („Germania“).
- Ausgerechnet die gebürtigen Georgier Josef Stalin (eigentlich Iosef Dšugašvili) als sowjetischer Diktator und Lavrentij Berija als oberster Geheimdienstchef trugen große Mitverantwortung an der jahrelangen Unterdrückung des Teilstaats.
- Aufgrund kriegerischer Konflikte in den autonomen Gebieten Abchasien, Adchasien und Süd-Ossetien ist Georgien auch viele Jahre nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit ein Krisengebiet.
- Die Sowjetrussen bezeichneten Georgien als Grusnija, weshalb auch im Deutschen die Bezeichnung Grusnien möglich ist. Die Georgier selbst nennen ihr Land Sakartvelo.
- Laut Wikipedia leben in Georgien ca. 3,8 Millionen Menschen, also nur etwas mehr als in Berlin, knapp ein Drittel von ihnen in der Hauptstadt Tiflis.