Alfons Amade: Auftakt zur U17-EM
Amades erste Eindrücke
Bereits am Sonntag checkte Alfons Amade mit dem DFB-Tross im direkt am Kaspischen Meer gelegenen „Boulevard Hotel“ ein, wo er sich mit dem Karlsruher Jannis Kübler ein Zimmer teilt. „Wir kennen uns schon lange und verstehen uns sehr gut“, sagt der TSG-Verteidiger. Die Vorbereitung verlaufe bisher reibungslos: „Wir trainieren jeden Tag auf einem anderen Platz, die Anlagen sind sehr gut gepflegt und gut bespielbar.“ Auch das Wetter präsentiert sich bei Temperaturen um die 20 Grad ohne Regen ordentlich.
„Die Stimmung bei uns ist eine Mischung aus Vorfreude und Fokussierung“, verrät Amade. „Da wir eine gute Teamgemeinschaft haben, ist die Atmosphäre sehr locker. Die Anspannung steigt natürlich von Tag zu Tag, aber das ist bei jedem Spieler etwas anders.“
EM-Fakten
Die U17-Europameisterschaft wird seit 1982 jedes Jahr (einzige Ausnahme: 1983) ausgetragen. Rekordchampion ist Spanien mit acht Siegen, aktueller Titelverteidiger ist Frankreich, das im vergangenen Jahr in Bulgarien im Finale Deutschland mit 4:1 bezwang.
Deutschland hat sich bislang drei Mal (1984, 1992, 2009) in die Siegerliste eingetragen. Zuletzt waren auch immer wieder Hoffenheimer Jungs beim Kontinentalwettbewerb dabei: Niklas Süle erreichte 2012 mit der DFB-Elf in Slowenien das Finale, scheiterte aber im Elfmeterschießen an den Niederlanden. Philipp Ochs und Benedikt Gimber schieden 2014 auf Malta in der Gruppenphase aus und Dennis Geiger kehrte 2015 mit der Silbermedaille aus Bulgarien zurück.
Modus und Austragungsorte
Gespielt wird in vier Gruppen zu je vier Teams. Die Gruppenersten und -zweiten erreichen das Viertelfinale, ab da geht es im K.o.-System weiter. Verlängerungen sind nicht vorgesehen, steht es nach 2 x 40 Minuten Unentschieden, geht es direkt ins Elfmeterschießen.
Aserbaidschan war 2012 Gastgeber der U17-WM der Frauen und ist erstmals Austragungsort einer U17-EM. Alle Partien finden in der Hauptstadt Baku statt, vier Spielstätten stehen zur Verfügung: Das 2015 eröffnete Nationalstadion mit einem Fassungsvermögen von 70.000 Zuschauern, in dem am 21. Mai auch das Finale ausgetragen wird, das Qarabağ-Stadion (4.735), das nach seinem Stadtteil benannte 8km-Stadion (10.500) sowie die Dalğa Arena (6.700).
Das neue Nationalstadion, in der Bauphase auch Olympiastadion genannt, wurde im Norden der Stadt am Böyükşor-See erbaut und hat das ehemalige, im Stadtkern gelegene Tofiq-Bəhramov-Stadion abgelöst. Bəhramov war jener sowjetische Linienrichter, der 1966 das Wembley-Tor – Englands 3:2-Führungstreffer im WM-Finale gegen Deutschland – anerkannte und daher älteren deutschen Fußball-Anhängern in negativer Erinnerung ist. In seiner Heimat hat der 1993 verstorbene Funktionär Kultstatus genossen. Vor seinem Tod hieß die 1951 erbaute Arena zeitgemäß Stalin- (bis 1956) bzw. Lenin-Stadion.
Im neuen Nationalstadion trägt die deutsche Mannschaft ihr Auftaktspiel gegen die Ukraine aus. Die Vier-Sterne-Arena ist als Austragungsort für drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale der Euro 2020 vorgesehen.
Die DFB-Gegner
Die deutsche Auswahl trifft in der Gruppe B auf die Ukraine, den EM-Debütanten Bosnien-Herzegowina und Österreich.
Die Ukraine setzte sich in der Eliterunde gegen die Türkei und Finnland durch und ließ die ebenfalls qualifizierten Engländer als Gruppenzweite hinter sich. Das Team von Trainer Alexander Petrakov, das die Vorbereitung in der Türkei absolvierte, setzt sich aus Spielern der Top-Klubs Dynamo Kiew, Shakhtar Donezk, Metallist Kharkiv und Dnipro Dnipropetrovsk zusammen. Mittelfeldspieler Serhij Buletsa (Dynamo Kiew) traf in der Quali drei Mal.
Bosnien-Herzegowina ist neben Ausrichter Aserbaidschan zum ersten Mal bei einer U17-EM am Start. Die Truppe von Coach Sakib Malkočević überraschte in der Eliterunde als Gruppenzweiter und ließ die favorisierten Russen hinter sich. Gegen Gruppensieger Italien gelang sogar ein 1:0-Sieg. Den Angreifer Benjamin Hadžić kennt Amade bereits aus der Bundesliga: Der 17-Jährige spielt beim FC Bayern München – und traf beim 5:2 gegen die TSG im März drei Mal.
Als letzter Gruppengegner wartet Österreich, das in der Eliterunde zunächst Titelverteidiger Frankreich 2:1 bezwang, sich dann aber mit zwei torlosen Unentschieden gegen Griechenland und Island nach Aserbaidschan zitterte. Auswahltrainer Andreas Heraf setzt mit Verteidiger Leonardo Zottele (1.FC Nürnberg) und Stürmer Maurice Mathis (TSV 1860 München) ebenfalls auf zwei „Legionäre“ aus der Bundesliga Süd/Südwest.
Als mögliche Viertelfinal-Gegner, sollten Amade und Co. weiterkommen, wartet am Samstag, 14. Mai, ein Vertreter der Gruppe A: Aserbaidschan, Portugal, Belgien oder Schottland.
Das deutsche Team
Die Auswahl von Bundestrainer Meikel Schönweitz genoss in der Eliterunde Heimrecht und nahm als Gruppenerster den Zweiten Niederlande mit in die Endrunde. Die Slowakei und Bulgarien blieben auf der Strecke. Schönweitz versammelte seinen Kader zunächst in der Sportschule Grünberg (Hessen) zu einem viertägigen Trainingslager, am vergangenen Sonntag hob der Flieger in Richtung Baku ab. „Die Vorfreude auf die EM ist riesig. Wir wollen uns mit den besten Mannschaften Europas messen“, so Schönweitz.
Die Termine
Das ist der Fahrplan für Amade und Co.:
Donnerstag, 5. Mai, 15:00 Uhr: Ukraine – Deutschland, Nationalstadion
Sonntag, 8. Mai, 17:00 Uhr: Deutschland – Bosnien-Herzegowina, Dalğa Arena
Mittwoch, 11. Mai, 17:15 Uhr: Deutschland – Österreich, Dalğa Arena
Uhrzeiten in MEZ. Alle drei Partien werden live auf Eurosport 2 übertragen.
Sollte die DFB-Elf mindestens Gruppenzweiter werden, steht am Samstag, 14. Mai, jeweils in der Dalğa Arena das Viertelfinale an. Die Halbfinals steigen beide am 18. Mai im Nationalstadion, das am 21. Mai auch das EM-Finale 2016 ausrichtet.
Fußball in Aserbaidschan
Als seinerzeit weltweit bedeutendster Erdölproduzent zog Aserbaidschan im frühen 20. Jahrhundert unter anderem auch viele englische Arbeiter an, die beim Aufbau einer Öl-Förderindustrie halfen – und den Fußball in diese Region brachten, die von 1936 bis 1991 eine Teilrepublik der Sowjetunion war. Der Erfolg blieb überschaubar, lediglich der Hauptstadt-Klub Neftçi („Erdölarbeiter“) Baku bestritt 27 Spielzeiten in der obersten Liga der Sowjetunion. Mehr als Platz drei 1967 sprang für Neftçi allerdings nicht dabei heraus. Zu internationalen Ehren brachte es nur Anatoli Banişevski, der mit der Nationalmannschaft der UdSSR Platz vier bei der WM 1966 in England belegte.
Nach der Unabhängigkeit Aserbaidschans holte Neftçi acht Mal die Landesmeisterschaft, doch andere Klubs tauchten nun aus der Versenkung auf und beendeten die Vormachtstellung der „Erdölarbeiter“. Der FK Qarabağ Ağdam sicherte sich zuletzt drei Meistertitel in Serie und erreichte in der aktuellen Saison ebenso wie der FK Qəbələ, der hier von Borussia Dortmund Prügel bezog, die Gruppenphase der Europa League. Bei Ağdam handelt es sich um eine Geisterstadt, die 1993 im Zuge eines kriegerischen Konflikts von armenischen Truppen besetzt und in der Folge verlassen wurde. Seither ist der Klub ebenfalls in Baku beheimatet.