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SPIELFELD
25.04.2016

Sebastian Rudy - Die Rückkehr zu Plan A

In Hoffenheim wurde er zum Nationalspieler, doch in dieser Saison fand sich Sebastian Rudy plötzlich auf der Ersatzbank wieder. In der Rückrunde aber wurde der 26-Jährige wieder zu einer zentralen Figur des TSG-Spiels. Nun will Rudy neben dem Klassenerhalt für den Verein auch seine persönliche EM-Teilnahme sichern.

Endlich. Als Sebastian Rudy am 19. März den Rasen des Hamburger Volksparkstadions betrat, war es wie eine erneute Rückkehr. Der 26-Jährige führte die TSG-Profis mit der Binde am Arm auf den Rasen – und Rudy wusste: Jetzt beginnt auch für ihn der Endspurt, der Kampf um den Klassenerhalt, die Jagd nach dem Ticket für die EM in Frankreich. Und das in führender Rolle, mit Verantwortung, als Kapitän. Rudy will das nicht überbewerten; die Lautsprecherei war noch nie das Steckenpferd des Schwarzwälders. "Im Endeffekt ist es natürlich egal, wer die Binde trägt", sagt Rudy. Aber er gibt gern zu: "Für mich persönlich ist es noch einmal ein Ansporn. Es ist schon ein besonderes Gefühl, die Mannschaft aufs Feld zu führen."

Vor allem, wenn er zurückdenkt, an die Tage des Zweifels, der Unzufriedenheit, ein Stück auch die der Ratlosigkeit. Denn Sebastian Rudy, der Nationalspieler, jener Elitekicker, der seit der WM 2014 zu jedem Länderspiel eingeladen wurde, der also von Bundestrainer Joachim Löw hoch geschätzt wird – dieser Sebastian Rudy hatte plötzlich in seiner sportlichen Heimat im Kraichgau lauter Probleme. "Ich weiß auch nicht, woran es lag", sagt er im Rückblick. "Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich es sicher behoben."

Das Lachen fällt kurz aus, vielleicht sogar ein wenig bitter. Denn wirklich schlüssig erklären kann er es sich bis heute nicht, warum in dieser Spielzeit für den Klub, aber vor allem auch für ihn persönlich lange Zeit so wenig zusammenpasste. Sein Stammplatz war früher oder später die Ersatzbank; in ganzen drei Partien der Hinrunde stand er für 90 Minuten auf dem Rasen. Zwischenzeitlich war er nicht mal mehr als Einwechselspieler gefragt. Da war Rudy längst gefangen in dieser unterbewussten Spirale: Wenig Selbstvertrauen, Angst vor dem ersten Fehler, Frustration. Im Winter wurde ohne sein Zutun medial über einen Weggang debattiert, ein möglicher Wechsel stand öffentlich im Raum. Rudy sagt dazu nur: "In meiner Situation, auch mit der EM im Sommer, wusste ich natürlich, dass ich Spielpraxis brauche. Da muss man über einen Plan B nachdenken. Aber Plan A war immer hier."

Gewinner der Vorbereitung

Der Plan ging auf. Rudy biss sich durch, wurde zum Gewinner der Rückrundenvorbereitung – und wurde plötzlich vom Bankdrücker zur prägenden Figur, stand in allen sechs Ligapartien in der Startelf. Im defensiven Mittelfeld, seiner erklärten Lieblingsposition, zeigte Rudy sein Potenzial, gab den Takt vor, bewies sein gutes Auge, spielte die feinen Pässe, die ihn zum Nationalspieler machten. Bis, ja bis es zu dieser Situation beim Gastspiel in Dortmund kam. Rudy hatte die TSG-Elf angetrieben, hatte die Führung erzielt, elf Hoffenheimer hatten die Borussen genervt mit ihrem disziplinierten wie mutigen Auftritt, sie durften beim Stand von 1:0 auf die Überraschung hoffen – bis zu jener verhängnisvollen 58. Minute, als Rudy einen gefährlichen Konter der Dortmunder über den schnellen Aubameyang in Höhe der Mittellinie mit einer Grätsche stoppte.

Schiedsrichter Peter Sippel zückte Rot, die TSG verlor das Spiel – und für Sebastian Rudy kam es noch bitterer: Der DFB sperrte ihn nach seiner Attacke ("Ich wollte auf den Ball gehen") für drei Spiele: "Das war schon hart." Drei Partien nur auf der Tribüne, drei Spiele im Überlebenskampf, die auch drei Chancen zur Empfehlung gewesen wären. Für eine tragende Rolle bei der TSG, für einen Kaderplatz in der Nationalelf. Rudy hat gelitten, aber er hat sich nicht hängen gelassen. "Überragend" nannte Trainer Julian Nagelsmann den Trainingseifer des gesperrten Leistungsträgers.

"Ein überragender Verein"

Der Mittelfeldspieler, keine Frage, will sich zeigen: Schon seine Grätsche hatten nicht wenige auch als Zeichen interpretiert, gegen den Ruf des zurückhaltenden, im Zweifel übervorsichtigen Schöngeists zu arbeiten. Rudy kann da nur müde lächeln. Er wollte einfach den Konter unterbinden, weil er die Gefahr erkannt hatte. Eine Grätsche, ein Foul, Rot. So einfach ist das. "Das kann jedem passieren." Sebastian Rudy aber ist nicht irgendwer. Nach dem Wechsel von Andreas Beck und Sejad Salihovic ist er schließlich eine Art sportliches Urgestein der TSG: Vor sechs Jahren bereits kam er in den Kraichgau, erlebte inzwischen neun Trainer, den Fast-Abstieg 2013, die leisen Europacup-Hoffnungen vergangener Jahre, nun das erneute Zittern. An seiner Einstellung ändert das nichts: "Jeder Club hat mal eine schwierige Phase. Aber Hoffenheim ist eine sehr gute Adresse. Das ist ein überragender Verein." Ein Club, in dem er wie sein Teamkollege Kevin Volland zum Nationalspieler wurde.

Das Nahziel heißt Klassenerhalt, im besten Fall folgt die EM-Teilnahme, und mittelfristig will er mit der TSG dann doch irgendwann mal in der Europa League starten. "Das war damals mein Ziel. Und das ist es heute immer noch." Sebastian Rudy sagt das mit der ihm eigenen Freundlichkeit, zugewandt, ohne eine Spur Überheblichkeit. Er kann das trennen von der aktuellen Lage, in der es nur eines gibt: den knochentrockenen Abstiegskampf. "Man darf die Situation nicht unterschätzen", sagt Rudy. Selbst leise Hoffnungen ob der jüngsten Aufwärtstendenz werden erstickt: "Wenn einer denkt, wir schaffen es eh, wenn wir nur so weiterspielen, dann ist das ein Riesenfehler."

Mit Lust und Mut

Aber wachsende Zuversicht, keine Frage, die hat der erneute Trainerwechsel auch bei ihm ausgelöst. "Er tut uns gut", sagt Rudy. "Man sieht jetzt, dass wir einiges mehr können als wir lange gezeigt haben." Ganz sicher auch, weil der Spielstil, den Nagelsmann pflegt, zur Hoffenheimer DNA gehört. "Es ist ja auch ein Wechsel zurück zu den Wurzeln. Der Stil liegt unserer Mannschaft." Die offensive Gangart habe schließlich auch einen psychologischen Effekt: "Wenn man sich zurückzieht, zeigt man Angst, Furcht. Wir gehen jetzt schon früher drauf, zeigen, dass wir Lust und Mut haben."

Der fast gleichaltrige Trainer habe der Mannschaft vor allem Selbstbewusstsein eingeimpft – nicht zuletzt, weil seine Spielvorbereitung exzellent sei: "Wenn man auf dem Rasen merkt, dass das funktioniert, was der Trainer vorgegeben hat, dann steigt nicht nur das Vertrauen in den Coach, sondern auch in die eigene Leistungsfähigkeit. Da wächst der Mut." Ein positiver Kreislauf, ein sich selbst erhaltendes System. Darauf hofft Rudy für den Schlussakkord dieser verkorksten Spielzeit. Alles andere steht dahinter erst einmal zurück. Die Hoffnung auf die EM-Teilnahme, die mit der erneuten Nominierung für die Länderspiele in der Osterwoche weitere Nahrung bekam, ebenso wie die Frage, wie es mit Sebastian Rudy im Kraichgau weitergeht. Sein Vertrag läuft bis 2017, ein Wechsel ins Ausland "kam für mich nie in Frage", so Rudy. Er ist gerade 26 geworden, inmitten der jugendlichen Hochbegabten fast schon ein "alter Hase". Rudy sieht das anders: "Das beste Fußballeralter kommt ja jetzt erst. Man ist erfahren, hat ein paar Spiele mehr auf dem Buckel. Ich fühle mich jetzt besser als mit 20, 21." Und die Erfahrung wird Sebastian Rudy nun im Abstiegskampf einbringen. Gern in führender Rolle, durchaus auch als Kapitän. So wie in Hamburg, als er die Mannschaft, unter anderem mit einer Torvorlage, zum wichtigen 3:1-Sieg führte. Es war der perfekte Auftakt für ein starkes Finish.

Zum Spielerprofil von Sebastian Rudy >>

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