Stephan Lerch: Euphorisch an die neue Aufgabe
So ein bisschen ist der Sommer 2021 für Stephan Lerch auch ein Sommer des Nachhausekommens. Der gebürtige Darmstädter ist nach acht Jahren in Niedersachsen wieder näher an die Heimat gerückt. Gemeinsam mit seiner Frau und der einjährigen Tochter ist der 36-Jährige nach Bensheim gezogen. Von dort pendelt er nun die 70 Kilometer zum Leistungszentrum nach Hoffenheim, wo er seiner neuen Aufgabe als Cheftrainer der U17-Bundesligamannschaft nachgeht.
„Die Nähe zur Heimat war natürlich auch ein Argument, aber vor allem habe ich mich wegen der Top-Nachwuchsarbeit in Hoffenheim für die TSG entschieden. Die hervorragenden Gespräche mit den Verantwortlichen und das familiäre Umfeld hier in der Akademie haben dann noch ihr Übriges getan“, erzählt Lerch. Dem frischgebackenen Fußballlehrer lagen mehrere Angebote vor, nachdem er frühzeitig erklärt hatte, dass er nach vier Jahren als Chefcoach der Frauen-Bundesligamannschaft des VfL Wolfsburg in diesem Sommer etwas Neues machen möchte.
Dass Lerch ein gefragter Trainer ist, hat er sich über die Jahre verdient und erarbeitet. Als junger Spieler bei den Junioren von Eintracht Frankfurt und im Herrenbereich bei Darmstadt 98 in der Oberliga unter Trainer Bruno Labbadia lebte noch der Traum, es als Spieler in den Profifußball zu schaffen. Doch dann wich dieser Traum einer realistischen Einschätzung: „Ich war in der A-Jugend Kapitän der Eintracht, stand an der Schwelle zur U-Nationalmannschaft, habe mit späteren Bundesligaspielern wir Patrick Ochs oder Marko Russ zusammengespielt und bin auf Gegenspieler wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger getroffen. Natürlich hatte ich da den großen Traum, es nach oben zu schaffen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass einfach ein bisschen was fehlt.“
Erste Trainerstation in der B-Jugend-Kreisliga
So machte Lerch im Alter von 21 Jahren die ersten Schritte als Trainer. „Ich hatte mir schon als Aktiver immer viele Gedanken um das Spiel als solches und um die Mannschaft als Ganzes gemacht. Von daher hat es mich sehr gereizt, mich als Trainer auszuprobieren.“ Lerchs erster Posten: Co-Trainer der B-Junioren seines Heimatvereins Germania Eberstadt in der Kreisliga. Es folgten verschiedene Stationen im Amateurbereich und bei Auswahlmannschaften in Hessen.
Vor allem als Jahrgangscoach der U17 des Hessischen Fußball-Verbandes machte Lerch auf sich aufmerksam. Parallel zu seinem Lehramtsstudium in Sport und Biologie in Mainz erwarb er zudem seine Trainerlizenzen. „In jedem Fall wollte ich in meinem zukünftigen Beruf gerne etwas weitergeben – ob als Trainer oder als Lehrer.“
Als Lerch sein Studium 2012 beendet hatte, stand eigentlich das Referendariat an. „Ich habe dann mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau besprochen, dass ich jetzt ein halbes Jahr lang versuche, richtig in den Fußball zu kommen. Wenn das nicht geklappt hätte, hätte ich mein Referendariat angefangen.“
Steter Aufstieg in Wolfsburg
Doch es klappte, denn über einen Kontakt zum damaligen Sportlichen Leiter der Wolfsburger Mädchenmannschaften, Daniel Nister, den Lerch aus den Auswahlmannschaften des Hessischen Fußball-Verbandes kannte, bekam er 2013 die Möglichkeit, die zweite Frauenmannschaft des VfL in der Zweiten Bundesliga zu übernehmen. „Das war für mich natürlich eine tolle Chance“, sagt Lerch, dem die Umgewöhnung an den Frauenfußball leichtfiel. „Im Endeffekt ist es das gleiche Spiel und ich war überrascht, wie viel Potenzial im Frauenfußball steckt – sowohl technisch als auch taktisch.“ Hinzu kam für Lerch noch ein weiterer Vorteil. „Die Frauen riechen einfach besser.“
Schon nach einem Jahr wurde Lerch die Stelle als Co-Trainer des Frauen-Bundesligateams angeboten, doch Lerch wollte lieber noch weiter als Cheftrainer lernen und blieb noch ein Jahr bei der Zweiten, ehe er dann 2015 doch als Assistenztrainer in die Bundesliga aufstieg. Wiederum zwei Jahre später war er Chefcoach der VfL-Frauen und prägte eine höchst erfolgreiche Zeit: In vier Jahren gewann Lerch mit seinen Spielerinnen dreimal die Deutscher Meisterschaft und viermal den DFB-Pokal. Zudem stand er 2018 in Kiew und 2020 in San Sebastián im Champions-League-Finale, wobei die Wolfsburgerinnen jeweils gegen Olympique Lyon das Nachsehen hatten.
„Die Zeit beim VfL hat mich sehr geprägt. Ich bin dort als Trainer gewachsen, denn jeder Step hat mich geformt und weitergebracht“, sagt der 36-Jährige, der sich als kommunikativen Trainertypen beschreibt, der in seinen Teams immer die Menschen sehen will und nicht nur die Fußballer. In seiner letzten Saison als Chefcoach in Wolfsburg erwarb Lerch dann auch noch die Fußballlehrer-Lizenz – gemeinsam mit seinem Vorgänger bei der TSG, Danny Galm. „In dem Lehrgang durfte ich noch mal viel Fachwissen mitnehmen. Auch der Austausch mit den anderen Trainern und den Referenten war sehr positiv und hat mich definitiv weitergebracht.“
"Spannende Mischung im Staff"
So kam Lerch nun mit reichlich Rüstzeug in die TSG-Akademie und zu seiner neuen Mannschaft, der U17. Über sein Team, den 2005er-Jahrgang, holte er vorab nur bedingt Informationen ein. „Ich wollte möglichst unvoreingenommen an die Aufgabe gehen, aber natürlich habe ich mich im Vorfeld auch mit Danny und meinem Staff ausgetauscht.“
Von seinem neuen Trainerteam hält Lerch viel. „Ich hatte bei allen von Anfang ein sehr positives Gefühl, sodass es mir gar nicht so vorkam, hier bei Null anzufangen. Wir haben im Staff eine spannende Mischung, von der ich begeistert bin, und ich spüre bei allen große Euphorie und Aufbruchstimmung.“ Es könnte also etwas entstehen zwischen Lerch, seinem Trainerteam und den 2005ern der Akademie. Erfolge haben den Weg des neuen U17-Trainers zuletzt gepflastert. Diese dürfen sich nun auch bei seinem nächsten Step gerne fortsetzen.